Anerkennung für ein junges Thema: Geschlechterspezifische Zahnmedizin bei der EUROPERIO

Presseinformation der Deutschen Gesellschaft für geschlechterspezifische Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde / DGGZ vom 28. August 2012

Diese Einladung hatte PD Dr. Dr. Christiane Gleissner, Mainz, Präsidentin der jungen Deutschen Gesellschaft für geschlechterspezifische Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGGZ), besonders gefreut: Nach dem sehr erfolgreichen Lunch-Symposium zur Thematik anlässlich des letztjährigen Deutschen Zahnärztetages erging eine Einladung der Wissenschaftlichen Leiter der EUROPERIO zur Gestaltung einer Session mit Kurzvorträgen zu Gender-Aspekten in der Parodontologie. „Es ist ganz ohne Zweifel eine hohe Ehrung für das Thema, in diesem anspruchsvollen Programm anerkannt zu werden“, so Dr. Gleissner, „aber auch eine große persönliche Freude, denn die Universität in der Tagungsstadt Wien ist ihrerseits in Europa vorbildlich, was die Erforschung geschlechterspezifischer Aspekte in der Zahnmedizin betrifft. Es war auch ein Wiedersehen mit hochgeschätzten Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir seitens der DGGZ in engem Kontakt stehen.“
Ergebnisse eigener Forschungsarbeiten stellten Referentinnen und Referenten aus Finnland, Deutschland und Österreich vor. Dr. Gleissner erläuterte in ihrem Eröffnungsvortrag die Begriffe „Sex“ und „Gender“ und betonte, dass diese ursprünglich differenzierenden Termini international mittlerweile in dem Begriff „Gender“aufgegangen seien, eine Entwicklung, der man sich anschließe. Es gehe dem Fach keinesfalls um „Frauengesundheit“, sondern um die Erforschung der Bedeutung des Geschlechts für die Mundgesundheit. So wies sie beispielsweise auf die höhere Parodontitisprävalenz bei Männern hin und fragte: „Ist das männliche Geschlecht an sich ein Risikofaktor – oder nur ein Risiko-Marker?“ Frauen wiederum neigten, trotz besserer Mundhygiene, zu mehr Karies und Zahnverlust. Bemerkenswert sei, dass Tierversuche die Erkenntnisse aus epidemiologischen Studien mit Menschen stützten: „Es heißt oft: Die bei Männern intensivere Parodontitis hängt mit höheren Raucherquoten bei Männern zusammen – aber Tiere rauchen nicht. Ihr Fazit zum derzeitigen Wissensstand: „Was wir heute wissen, lässt weitere Forschung als dringend geboten erscheinen !“

„Ist das Geschlecht ein eigener Risikofaktor?“
Dr. Vicky Ehlers / Universität Mainz stellte eine Studie mit Schwangeren vor, die herauszufinden suchte, ob spezielle Marker früher als bisher das Risiko von schweren Hyperplasien identifizieren könnten. Auch größere Taschentiefen seien bei einem Vergleich von Schwangeren und einer Kontrollgruppe doppelt so oft bei der erstgenannten Gruppe gefunden worden. Ein spezielles Enzym sei bei entzündlichen Veränderungen erhöht und weise auf das erhöhte Risiko einer Schwangerschaftsgingivitis hin. Auch Dr. Ehlers sah vertiefende Forschung als notwendig an: „Die bakteriellen Unterschiede zu prüfen wäre besonders interessant!“ Sehr spannend war der Vortrag von Dr. Rudolf Seemann/Universität Wien zu geschlechterspezifischen Aspekten bei der Periimplantitis: „Ist das Geschlecht ein eigener Risiko-Faktor?“ An der Wiener Universität erhielten fast doppelt so viele Frauen wie Männer Implantate – und zeigten auch das größere Risiko: „Frauen verlieren nicht nur mehr Zähne, sondern auch mehr Implantate. Wir müssen prüfen, ob sich das über augmentative Verfahren reduzieren lässt.“ Zu beachten sei insbesondere das Lebensalter der Patienten – und die geschlechterspezifisch oft andere Medikation sowie der jeweilige Allgemeingesundheitszustand. Dr. Oleh Andrukhov/Universität Wien, untersuchte verschiedene, für kardiovaskuläre Erkrankungen relevante Entzündungsmediatoren und den Serumspiegel von Lipoproteinen und NO-Metaboliten bei Männern und Frauen mit Parodontitis. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Parodontitis über ein geschlechterspezifisches Risikoprofil bei Männern die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen erhöht. Diese Erkenntnisse müssten durch weitergehende Untersuchungen abgestützt werden. Einen anderen Ansatz verfolgte Dr. Ines Willershausen/Mainz, die in ihrer Studie mit dem Mundhygieneverhalten und Rauchgewohnheiten typische Lifestylefaktoren bei Frauen untersuchte. Sie berichtete von einem erhöhten PA-Risiko bei berufstätigen Frauen im Vergleich zu gleichaltrigen Hausfrauen, obwohl das Berufsleben einen erhöhten Anspruch an gesunde und attraktive Zähne auslöse und die Mundhygiene daher optimiert gewesen sei. Da berufstätige Frauen auch häufiger geraucht hätten, spreche viel dafür, dass Stress bei der Entstehung schwer therapierbarer parodontaler Entzündungen eine wichtige Rolle spiele. Aus Finnland kam DDS Kaija Komulainen und ergänzte die Thematik mit dem Blick auf Personen über 75 Jahre. Auch in Finnland leiden Männer häufiger unter Parodontitis. Mithilfe von Interviews zu Lebensführung und Lebensumständen sowie klinischen Untersuchungen stellte man fest, dass neben einer eingeschränkten Funktion bei der Verrichtung alltäglicher Dinge vor allem das Geschlecht für die höheren Parodontalschäden verantwortlich zeichnete. Zu klären seien weitere Unterschiede im Lebensalltag, darunter auch der Faktor Ernährung, allerdings seien die Unterschiede bei C-reaktiven Proteinen sehr deutlich, was für biologische Faktoren spreche.
In Meetings im Anschluss an die Session wurde an die DGGZ herangetragen, die Strukturen der Gesellschaft zu internationalisieren und die Forschung zu vernetzen. Dies ist derzeit in Vorbereitung.