Ihre Zähne, seine Zähne:
Der Forschung „auf den Zahn gefühlt“

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Zahnärzte sind nicht selten überrascht, wenn sie nach einer Geschlechtsspezifik in der Zahnbehandlung gefragt werden. Dass die Zahn- und Mundgesundheit im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft beachtet werden muss, stehe außer Frage, aber sonst...? Das hört die Leipziger Zahnärztin Ulrike Uhlmann immer wieder. „In immer mehr Medizin-Fächern gibt es einen zunehmenden Erkenntniszuwachs zu Geschlechterunterschieden mit Konsequenzen für die ärztliche Praxis. Warum sollte das in der Zahnmedizin anders sein?“ Deshalb haben die Doktorandin und ihre Doktormutter PD Dr. Dr. Christiane Gleissner, Präsidentin der wissenschaftlichen Fachgesellschaft Gender Dentistry International (GDI), eine Forschungsarbeit vorgelegt, die beim 7. Kongress der Internationalen Gesellschaft für Gendermedizin (IGM) im Herbst in Berlin den einzigen (!) Posterpreis erhielt. Nicht nur eine hohe Anerkennung für die vorgestellte Arbeit, sondern auch ein vielbeachtetes Ankommen in der Gender Medicine Community!

Ulrike Uhlmann suchte in fast 400 wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu nicht-kariösen Zahnhalsdefekten nach geschlechterspezifischen Aspekten. 73 davon ließen einen geschlechtsspezifischen Bezug vermuten. Evaluiert wurden sie mit einem neuen Index, den die beiden Wissenschaftlerinnen aus vorliegendem, aber unzureichendem Befragungsinstrumentarium entwickelten.
Er besteht aus insgesamt sechs standardisierten Fragen zu den wichtigsten Elementen einer Publikation: Abstract, Hypothese, Studiendesign, Datenanalyse, visuelle Darstellung, Sprache, die jeweils eine Ja-/Nein-Entscheidung erfordern. Sie sind so gewichtet, dass maximal ein Summenwert von 100 Prozent erreicht wird, wenn alle Fragen mit „ja“ beantwortet werden. Anhand des Ergebnisses wird die Publikation in eine von fünf Kategorien eingeordnet - von „kein geschlechtsspezifischer Bezug in der Publikation erkennbar“ bis „geschlechtsspezifischer Bezug vollständig oder überwiegend berücksichtigt“. Die einzelnen Items können auch getrennt voneinander analysiert werden, so dass erkennbar wird, in welchen Bereichen Defizite bestehen.

Letztlich konnten bei 17 Publikationen zu nichtkariösen Zahnhalsdefekten geschlechtsspezifische Aspekte ermittelt werden. Ursache für diese doch recht mageren Ergebnisse seien, so Ulrike Uhlmann, die noch an der qualitativen Auswertung arbeitet „ unzureichendes Studiendesign und Datenanalyse. Hinsichtlich einer Geschlechtsspezifik ist in der zahnmedizinischen Forschung noch viel zu tun.“

Der nun zur Verfügung stehende Index ist ein nützliches Instrument bei der Auswertung von wissenschaftlichen Publikationen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Geschlechts im Studiendesign und der Interpretation der Ergebnisse. „Er wird in zukünftigen Studien zum Status quo der Integration der Geschlechterperspektive in die zahnmedizinische Fachliteratur eingesetzt werden“, ist sich Ulrike Uhlmann sicher. Als „spannenden Nebeneffekt“ bezeichnet die junge Zahnärztin auch die Möglichkeit, den Index bei jeglicher Literatur- und Studienanalyse in der Medizin anzuwenden. „Das hat uns auf dem Kongress bei der Vorstellung unseres Posters viel Anerkennung der Gendermedizin-Expert/innen aus aller Welt eingebracht und neue Kooperationen gefördert.“

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