Kardiale Fibrose:
Der lange Weg zur geschlechtsspezifischen Therapie

Artikel
28.04.2020
Es wird immer deutlicher, dass sich Männer und Frauen in der Physiologie und Pathologie des Herz-Kreislauf Systems unterscheiden. Die Grundlagenforschung beschäftigt sich daher schon seit längerem mit der Untersuchung von molekularen Geschlechterunterschieden, die bei der Entwicklung und dem Verlauf von Herz-Kreislauf Erkrankungen eine Rolle spielen. Der Fokus liegt auf den Östrogenrezeptor-vermittelten Signalmechanismen, die zu geschlechterspezifischen Ausprägungen der Herzpathologie beitragen, und der Rolle von 17?-Estradiol (E2) bei kardialen Umbauprozessen. Diese Prozesse können im Wesentlichen in zwei Kategorien unterteilt werden, die Herzmuskelzellhypertrophie und die kardiale Fibrose. 

Das Interesse meiner Arbeitsgruppe gilt dabei vor allem den fibrotischen Prozessen. Diese stellen einen „Point of no return“ dar und treiben das Fortschreiten der Herzerkrankung voran. Die bisherigen Forschungsergebnisse halfen darzulegen, dass es signifikante Geschlechterunterschiede in der Entstehung der kardialen Fibrose bei Patient*innen mit Aortenklappenstenose gibt (Petrov et al., 2010; Petrov, Dworatzek et al., 2014; Kararigas et al., 2014). Frauen zeigen im Vergleich zu Männern eine signifikant geringere Aktivierung pro-fibrotischer Signalmechanismen, die mit einer geringeren Expression von Fibrosemarkern und weniger Kollagenablagerungen im Gewebe einhergeht (Petrov et al., 2010; Pertrov, Dworatzek et al., 2014; Kararigas et al., 2014).

Mittels tierexperimenteller Analysen und in vitro durchgeführten Untersuchungen an kardialen Fibroblasten beider Geschlechter gelang es uns, die modulierende Rolle des Sexualhormons E2 und der Östrogenrezeptoren (ER) auf Fibrose-assoziierte Modulatoren nachzuweisen (Dworatzek et al., 2016; Fliegner et al., 2010). Zudem beschrieben wir erstmals, dass E2 die Expression einiger fibrotischer Marker bei weiblichen und männlichen kardialen Fibroblasten unterschiedlich reguliert (Petrov et al., 2010; Dworatzek et al., 2019). Als Mechanismen konnten wir in unserer kürzlich veröffentlichten Arbeit die E2-induzierte geschlechterspezifische ER-Aktivierung und Bindung an die Promotoren der Zielgene identifizieren (Dworatzek et al., 2019).

Wir vermuten, dass dieser Mechanismus durch unterschiedliche Ko-Regulatoren begleitet wird und es somit zur gegensätzlichen E2-vermittelten Genexpression bei weiblichen und männlichen Zellen kommt. Die E2-vermittelte Regulation fibrotischer Marker könnte für die in der Klinik beobachteten Geschlechterunterschiede bei der kardialen Fibrose verantwortlich sein. Diese Vermutung kann durch eine E2-induzierte dimorphe Regulation von Gewebeeigenschaften weiblicher und männlicher 3D-Zellkulturen aus kardialen Fibroblasten untermauert werden (Dworatzek et al., 2019).

Zu unseren nächsten Schritten gehört die nähere Charakterisierung weiterer geschlechterspezifisch regulierter fibrotischer Marker sowie die zukünftige Testung der beschriebenen Mechanismen und Schlüsselregulatoren im humanen Umfeld. Genutzt werden wird sowohl homogenes als auch heterogenes 3D-Gewebe aus humanen weiblichen und männlichen Zellen. Das langfristige Ziel ist es, pharmakologisch modulierbare Schlüsselregulatoren zu identifizieren, die für die Entwicklung anti-fibrotisch wirkender Medikamente geeignet sind und zukünftig eine optimale Therapie sowohl für Männer als auch für Frauen gewährleisten.

Dr. rer. medic. Elke Dworatzek ist Postdoc und Nachwuchsgruppenleiterin am Institut für Geschlechterforschung in der Medizin, Charité-Universitätsmedizin Berlin. Ihr Forschungsfokus liegt auf der Identifizierung und dem besseren Verständnis molekularer Mechanismen kardiovaskulärer Geschlechterunterschiede.

Kontakt:
Elke.Dworatzek@charite.de

  1. Petrov G, Regitz-Zagrosek V, Lehmkuhl E, Krabatsch T, Dunkel A, Dandel M, Dworatzek E, Mahmoodzadeh S, Schubert C, Becher E, Hampl H, Hetzer R. Regression of myocardial hypertrophy after aortic valve replacement: faster in women? Circulation. 2010 Sep 14;122(11 Suppl):S23-8. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.109.927764. PubMed PMID: 20837918.

  2. Petrov G, Dworatzek E, Schulze TM, Dandel M, Kararigas G, Mahmoodzadeh S, Knosalla C, Hetzer R, Regitz-Zagrosek V. Maladaptive remodeling is associated with impaired survival in women but not in men after aortic valve replacement. JACC Cardiovasc Imaging. 2014 Nov;7(11):1073-80. doi: 10.1016/j.jcmg.2014.06.017. Epub 2014 Oct 8. PubMed PMID: 25306541.

  3. Kararigas G, Dworatzek E, Petrov G, Summer H, Schulze TM, Baczko I, Knosalla C, Golz S, Hetzer R, Regitz-Zagrosek V. Sex-dependent regulation of fibrosis and inflammation in human left ventricular remodelling under pressure overload. Eur J Heart Fail. 2014 Nov;16(11):1160-7. doi: 10.1002/ejhf.171. Epub 2014 Oct 7. PubMed PMID: 25287281.

  4. Dworatzek E, Baczko I, Kararigas G. Effects of aging on cardiac extracellular matrix in men and women. Proteomics Clin Appl. 2016 Jan;10(1):84-91. doi: 10.1002/prca.201500031. Epub 2015 Sep 25. PubMed PMID: 26280680.

  5. Fliegner D, Schubert C, Penkalla A, Witt H, Kararigas G, Dworatzek E, Staub E, Martus P, Ruiz Noppinger P, Kintscher U, Gustafsson JA, Regitz-Zagrosek V. Female sex and estrogen receptor-beta attenuate cardiac remodeling and apoptosis in pressure overload. Am J Physiol Regul Integr Comp Physiol. 2010 Jun;298(6):R1597-606. doi: 10.1152/ajpregu.00825.2009. 

  6. Dworatzek E, Mahmoodzadeh S, Schriever C, Kusumoto K, Kramer L, Santos G, Fliegner D, Leung YK, Ho SM, Zimmermann WH, Lutz S, Regitz-Zagrosek V. Sex-specific regulation of collagen I and III expression by 17?-Estradiol in cardiac fibroblasts: role of estrogen receptors. Cardiovasc Res. 2019 Feb 1;115(2):315-327. doi: 10.1093/cvr/cvy185. PubMed PMID: 30016401; PubMed Central PMCID: PMC6933535.
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