Lernmaterialien auf dem Prüfstand:
Soziokulturelle Geschlechteraspekte oft unterrepräsentiert

Artikel
27.01.2020
Geschlechtsspezifische Medizin sollte ein obligatorischer Teil der medizinischen Ausbildung sein, doch es besteht weiterhin eine große Diskrepanz zwischen aktuellem Forschungsstand und in die Ausbildung integrierten gendermedizinischen Inhalten.

Das Paper „Quantitative and Qualitative Analysis on Sex and Gender in Preparatory Material for National Medical Examination in Germany and the United States“ vergleicht die Quantität und Qualität des geschlechtsspezifischen Inhalts von häufig genutzten e-learning-Materialien in Vorbereitung auf das Staatsexamen in Deutschland und in den USA. Hierzu wurden die Inhalte von AMBOSS und USMLE Step 1 Lecture Notes (2017) von KAPLAN MEDICAL untersucht. Die analysierten Fächer wurden drei Hauptbereichen zugeordnet: klinische Fächer, Verhaltens- & Sozialwissenschaften und Pharmakologie. Des Weiteren wurden die detektierten geschlechtsspezifischen Aspekte den Kategorien sex (biologisches Geschlecht) oder gender (soziales Geschlecht) zugewiesen und die Präsenz einer (patho)physiologischen Erklärung für den jeweiligen Geschlechterunterschied eruiert.

Die Lernmaterialien behandelten fast ausschließlich sex differences, also Unterschiede in Bezug auf das biologische Geschlecht. Insbesondere soziokulturelle Geschlechteraspekte waren unterrepräsentiert. Eine (patho)physiologische Erklärung für die Geschlechterunterschiede wurde selten angeführt. Zudem wurde nur ein kleiner Teil der wissenschaftlichen, gendermedizinischen Erkenntnisse in die Lernmaterialien aufgenommen.

Evidenzbasiertes gendermedizinisches Wissen sollte vermehrt Inhalt der medizinischen Ausbildung sein, um der Bedeutung der geschlechtsspezifischen Medizin als ein wesentlicher Bestandteil von patientenzentrierter Medizin gerecht zu werden.

Helena Schluchter, Institut für
Geschlechterforschung in der Medizin (GIM)

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