Marlis Bredehorst
Staatssekretärin im Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter

Es besteht die dringende Notwendigkeit einer geschlechterspezifischen Herangehensweise in der gesundheitlichen Versorgung. Noch ist es nicht Mainstream, aber erfreuliche Ansätze sind erkennbar.

Frauen und Männer sind nicht nur biologisch verschieden. Sie gehen auch anders mit ihrem Körper um, nehmen Krankheitsentwicklungen unterschiedlich wahr und bewerten sie anders. In der Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge sowie der medizinischen Forschung müssen daher geschlechterspezifische Bezüge der Patientinnen und Patienten hergestellt werden. Diese Unterschiede stellen noch immer unterschätzte Herausforderungen an das gesundheitliche Versorgungssystem dar. Bekannt ist inzwischen, wie genetische, biologische und soziale Faktoren in einer komplexen Weise zusammenwirken. Sie beeinflussen Gesundheit, Prävalenz, die Schwere von Erkrankungen, Behandlung und Therapieerfolg und sollten daher Grundlage einer modernen personalisierten Gesundheitsversorgung sein. So ist seit längerem bekannt, dass Frauen im Vergleich zu Männern aufgrund einer stärkeren Immunantwort auch stärkere Entzündungsreaktionen zeigen. Der Landesgesundheitsbericht 2011 dokumentiert zum Beispiel, dass Frauen häufiger als Männer wegen Depressionen, Männer dagegen häufiger wegen Suchterkrankungen behandelt werden.

Das Argument, Geschlechterspezifik in der Medizin würde das System verteuern, stimmt nicht, das Gegenteil ist der Fall. Wir gelangen so zu besseren Therapien, zu besseren Ergebnissen in der Gesundheitsversorgung.

Mir ist wichtig, in der medizinischen Forschung und Versorgung einen Bezug zur jeweiligen Lebenswelt herzustellen, um damit den individuell sehr unterschiedlichen Bedürfnissen von Männern und Frauen gerecht zu werden. Allein der Blick auf das Geschlecht reicht nicht.
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