Österreich:
Ehrgeiziges Projekt einer Gendermedizin-Modellregion

Interview
30.11.2021
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Kärnten wird österreichweit Modellregion für die Umsetzung von Gendermedizin. Wir sprachen darüber mit Dr. Beate Prettner, Ärztin, Gesundheitsreferentin und Landeshauptmann-Stellvertreterin in der Landesregierung.

Gendermedizin und Österreich haben wir bislang vor allem mit der Uni Wien - Frau Professorin Kautzky-Willer, der Uni Innsbruck – deren Kollegin Professorin Hochleitner -, mit Wissenschaftler/innen in Krems und Graz, mit den Frauengesundheitszentren in Wien oder Salzburg verbunden. Umso erfreulicher die Information einer Modellregion Gendermedizin in Kärnten. Was ist die Vorgeschichte, was der Auslöser, gerade jetzt in die Offensive zu gehen?

Dr. Prettner: Nicht nur als Gesundheitsreferentin, sondern vor allem auch als Ärztin sowie als Mutter von drei Töchtern liegt mir Gendermedizin seit Jahren am Herzen. Wir haben in Kärnten daher immer wieder Veranstaltungen mit dem Schwerpunkt Gendermedizin durchgeführt. Bereits 2017 habe ich einen Antrag bei der Gesundheitsreferentenkonferenz eingebracht, die Gendermedizin verpflichtend in der Ärzte-Ausbildung zu verankern. Passiert ist bis heute nichts. Es war daher Zeit, als Bundesland selbst tätig zu agieren. Den letzten Anstoß hat der Beschluss beim diesjährigen SPÖ-Bundesparteitag nach Forderung einer Gendermodellregion für Österreich gegeben.

Wir haben nun monatelang intensiv an den Vorbereitungen gearbeitet. Unser Gesundheitsland Kärnten hat hier hervorragende Arbeit geleistet, konnte wesentliche und wichtige Mitkämpfer an Bord bringen, wie die Ärztekammer, die FH Kärnten, die Gesundheits- und Pflegeschulen Kärnten, die Apothekerkammer und unsere Gesunden Gemeinden. 117 der 132 Kärntner Gemeinden sind mittlerweile als Gesunde Gemeinden anerkannt! Es ist ein ehrgeiziges Projekt - und ich bin überzeugt, dass es erfolgreich wird.

Welche Aktivitäten sind aktuell geplant, sowie mit der Zielgruppe Ärzt/innen und medizinisches Personal als auch mit der der Öffentlichkeit?

Dr. Prettner: Unsere Schwerpunkte fußen auf drei Säulen: Ausbildung des Gesundheits- und Pflegepersonals; Fort- und Weiterbildung der Experten; Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Stichwort Ausbildung: Wir werden jedes Jahr fünf Kärntner Ärzten die Diplomausbildung „Gender medicine“ an der österreichischen Ärzteakademie finanzieren. Im Gegenzug für die Finanzierung werden uns die Teilnehmer künftig als Vortagende und Multiplikatoren zur Verfügung stehen. Parallel dazu wird - in Kooperation mit der Ärztekammer Kärnten und finanziert vom KGF - eine Fortbildungsreihe stattfinden. Der Start erfolgte bereits Ende November.

Gibt es besondere Pläne, wie Sie die Migrantinnen erreichen wollen? Ich weiß aus Wien, dass dies immer ein Problem mit besonderen Herausforderungen ist.

Dr. Prettner: Die Migrationsthematik ist in Wien eine völlig andere als in Kärnten: Wir haben die Herausforderungen nicht in dieser Form wie in Wien. Geplant sind in Kärnten Vorträge, Workshops, Seminare in den 117 Gesunden Gemeinden. Die gesamte Bevölkerung wird dazu über Informationsblätter und Postwurfsendungen eingeladen. Wir sind also direkt vor Ort.

Wie wurde die Kärntner Initiative aufgenommen?

Dr. Prettner: Der Zeitpunkt der Präsentation - mitten in der Coronakrise - war natürlich nicht der günstigste. Vor allem von medialer Seite fehlte es an Aufmerksamkeit. Begeistert zeigen sich hingegen Menschen aus dem medizinischen Umfeld. Ich bin mir aber sicher: Wir werden, sobald die Pandemie wieder etwas abflacht, auch die Medien und die Bevölkerung begeistern und sie von Sinn und Bedeutung der Gendermedizin überzeugen können.

Das Gespräch führte Annegret Hofmann

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