Offener Brief:
Geschlechtersensible Medizin muss feste Größe im Gesundheitssystem werden!

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15.03.2022
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Das haben Frauen, die an Schaltstellen im Gesundheitswesen sitzen, in einem Offener Brief an das BMBF, das BMG und die Gesundheitspolitischen Sprecher/innen der Bundestagsfraktionen gefordert.

Bezugnehmend auf den Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ und dessen Passus zur Berücksichtigung der geschlechtsbezogenen Unterschiede in der Versorgung, bei Gesundheitsförderung und Prävention und in der Forschung heißt es in dem Offenen Brief:

„Das ist aus unserer Sicht ein wichtiger erster Schritt zu einer besseren, präziseren und evidenzbasierteren Versorgung. Denn nach wie vor erleben wir in Forschung, Praxis und Prävention in fast allen Bereichen des Gesundheitssystems Qualitätsdefizite sowohl für Männer wie auch für Frauen durch die fehlende Differenzierung.

Gerade jetzt, mit zunehmender Digitalisierung im Gesundheitswesen, ist es extrem wichtig die alten Fehler nicht im Sinne einer Reproduktion des Gender-Data-Gaps in die Forschung und Versorgung von morgen zu implementieren.

Damit diese Defizite der Daten- und Studienlage durchbrochen werden, brauchen wir im Bereich der Forschung und Entwicklung eine Sensibilisierung für Differenzierungen nach biologischem und sozialem Geschlecht. Dazu sollten bereits Ausschreibungen und Studien so gestaltet werden, dass Daten zwingend geschlechterspezifisch zu erheben sind und eine qualifizierte geschlechtsspezifische Analyse a priori im Studienprotokoll vorgesehen ist. Nur eine differenzierte Betrachtung kann eine genauere Gesundheitsversorgung ermöglichen.

Gerade die aktuelle Corona-Situation hat wieder einmal gezeigt, wie unzureichend die geschlechtsdifferenzierte Erforschung von COVID-19 in Bezug auf klinische Studien, Diagnostik, Therapie, Immunisierung oder Chronifizierung erfolgte. Und dabei zeigt gerade diese Pandemie, wie notwendig diese Betrachtung wäre … Eine stringente Geschlechterdifferenzierung bei allen Studien hätte vielleicht schon viel früher mehr Klarheit über Entstehung und Therapiebedarf gegeben.

Um geschlechterspezifische Daten der Krankenkassen für die Forschung nutzen zu können, sind neue Regelungen erforderlich. Der Datenschutz kann und muss dabei selbstverständlich weiterhin den strengen Anforderungen für Gesundheitsdaten entsprechen. In vielen Projekten konnte jedoch bereits gezeigt werden, dass es dafür vertrauenswürdige, machbare Lösungen gibt… Wir fordern klare, zwingend einzuhaltende Standards, um Gender-Data-Gaps zu schließen!

Zu den Autorinnen gehören u.a.
Dr. med. Anke Diehl, M.A., Chief Transformation Officer Universitätsmedizin Essen ,
Dr. med. Christiane Groß, M.A. Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes e.V. , Prof. Dr. med. Dr. h.c. Vera Regitz-ZagrosekBarbara Steffens, Leiterin der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen der Techniker Krankenkasse, Prof. Dr. med. Sylvia Thun, Berlin Institute of Health, Prof. Dr. med. Petra A. Thürmann, Universität Witten/Herdecke, Helios Klinikum Wuppertal.

Erstunterzeichner/innen sind u.a.
Dr. Jens Baas, Vorsitzender des Vorstands der TK, Prof. Dr. iur. Alexandra Jorzig, IB Hochschule für Gesundheit und Soziales, Berlin , PD Dr. Irit Nachtigall, Helios Kliniken, Prof. Dr. med. Sabine Oertelt-Prigione, MScPH, Bielefeld/Nijmegen, Niederland, PD Dr. med. Ute Seeland, Vorsitzende DGesGM.

Siehe auch: Interview mit Barbara Steffens, Leiterin der TK-Landesvertretung Nordrhein-Westfalen (NRW) und ehemalige NRW-Gesundheitsministerin:
https://www.tk.de/presse/themen/gesundheitssystem/gesundheitspolitik/geschlechtergerechte-medizin-staerken-2122818?tkcm=aaus
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