Podiumsrunde Aus-, Fort- und Weiterbildung

Prof. Bettina Pfleiderer (BP), Münster; Dr. Constanze Schäfer (CS), Apothekerkammer Nordrhein, Düsseldorf; Dr. Doris Dorsel (DD), Ärztekammer Westfalen-Lippe
Moderation: Karin Heisecke (KH), Berlin

KH: Wir haben heute schon an verschiedenen Stellen gehört, wie wichtig es ist, bei der Aus- und Weiterbildung in den medizinischen Berufen den Genderaspekt zu etablieren. Frau Prof. Pfleiderer hat dabei in Münster ein interessantes Projekt in Angriff genommen...

BP: Was die studentische medizinische Ausbildung angeht, so arbeiten wir an der Uni Münster gemeinsam mit der Uni Duisburg-Essen in einem Projekt des BMBF. Wir ermitteln: Wie ist das Genderwissen überhaupt, welche Einstellung haben Ärzte und Personal zu Geschlechtsspezifik, welche Rolle spielt das Geschlecht der Behandler und anderes mehr. Meiner Meinung nach ist es zu spät, erst nach der Facharztausbildung nachzudenken, welche Rolle der Geschlechter-Spezifik in der Medizin zukommt. Das durchschnittliche Wissen zur Geschlechtsspezifik, etwa bei Herzinfarkt oder auch im Schmerzverhalten war nicht gut, nur 50 Prozent, sowohl Lehrende als auch Lernende, lagen dabei richtig! Weniger als 60 Prozent der von uns Befragten waren der Meinung, in der Inneren Medizin sei Geschlecht ein wichtiger Faktor das darf nicht sein!
Unser Ansatz ist dabei kein Lehrmodul, das man wählen oder abwählen kann, sondern ein integrativer - dazu gehören natürlich Lehrmaterialien mit vielen Beispielen. Gendermedizin ist eine Querschnittsdisziplin, zu der sehr viele Fächer gehören, nicht zuletzt Soziologie, Psychologie.
Bisherige Programme richten sich vor allem an schon tätige Ärzte, wir wollen direkt an die Studierenden, bei „fertigen“ Ärzten anzusetzen wäre zu spät.

KH: Dennoch ergibt sich die Frage, wie dieses neue Gebiet in die Weiterbildung integriert werden kann.

DD: Es gibt 17 Landesärztekammern in Deutschland, sie holen alle Ärzte ab und gehen davon aus, dass diese sich weiterbilden müssen und können.
Wir setzen die Weiterbildungsordnung auf Länderebene um, sichern die Ausbildung zu Fachärzten. Weiterbildung beinhaltet auch Erwerb so genannter Schwerpunktbezeichnungen, Zusatzweiterbildung auf verschiedenen Gebieten usw.
Weiterbildung zieht sich durch das ganze Berufsleben der Mediziner/innen.
Gendermedizinische Angebote gibt es etwa bei der Landesärztekammer Westfalen Lippe seit zehn Jahren (Kardiologie, Stoffwechselerkrankungen, psychische Erkrankungen, Rheuma etc.), jährlich bieten wir zumindest eine spezielle Veranstaltung zu Gendermedizin. Leider ist es noch so, dass die Vortragenden bei diesen Veranstaltungen meist Männer, die Teilnehmenden meist Frauen sind.

BP: Das ist die Crux: Die Männer, die männlichen Ärzte, erreichen wir oft noch nicht...

KH: Wie sieht es bei den Pharmazeuten aus?

CS: Aus- und Fortbildung in der Pharmazie hat den Genderaspekt häufig dabei, schon bei der Uniausbildung. Bei den Dosierungsberechnungen spielen weibliche und männliche Rezeptoren eine große Rolle, Verteilung im Körper und vieles andere mehr, bei dem das Geschlecht schon eine Rolle spielt. Das betrifft auch neue Medikamente: Es geht darum, möglichst schnell zu wissen, wie Medikamente bei Frauen und Männern wirken. Bezüglich der Fortbildung sind wir in NRW bereits am Thema dran.
Seit 2001 machen wir das, weil das in den Gesundheitszielen in NRW schon früh aufgegriffen wurde.

BP: Provokant gefragt: Wieso erreicht das nicht diejenigen, die die Medikamente verabreichen?

CS: Bei uns ist diese Denkweise schon im Studium – Klinische Pharmazie – verankert... Warum die Forschungsergebnisse nicht an die Ärzte kommen, ist sicher eine Schwachstelle.

DD: Die Ärztekammer bietet Veranstaltungen zu Arzneimittelwirkungen bei Männern und Frauen an, aber wie sie angenommen werden, weiß ich nicht.

Aus dem Auditorium: 
N.N. Genau das ist das Problem – wir unterhalten uns über die Problematik, aber wie kommt es bei Medizinern an? Soll ich mir lieber eine Ärztin aussuchen, wenn ich will, dass die Genderspezifik berücksichtigt wird?

Dr. Fasshauer: Als Ärztin habe ich die Erfahrung gemacht, dass Patienten aufgeklärt sind durch Medien, durchs Internet – aber Ärzte nicht.

E. Lehmann, Patientenbeauftragte NRW: Wie ist das mit der Weiterbildung von Patienten – wir brauchen aufgeklärte Patienten! Was kann man mehr tun als Beratungsstellen anzubieten?

Dr. Christiane Groß, Vorstand Ärztekammer Nordrhein: Es ist ein zähflüssiger Prozess, die Weiterbildungsordnung zu verändern, meist werden nur Kleinigkeiten verändert. Eine große Veränderung steht aber bevor, ich könnte mir vorstellen, dann auch im Bereich Gendermedizin. Erinnern wir uns an die Psychosomatik, auch das dauerte seine Zeit. Jede Weiterbildungsordnung muss in allen Ländern abgestimmt werden und dann in einzelnen Ländern auch realisiert werden.
Wir haben im Moment nur die Möglichkeit der verschiedenen Fortbildungsangebote.

KH: Wie erreichen wir gut infomierte Patientinnen und Patienten?

DD: Wir beraten die Patienten, die sich direkt an uns wenden, dafür haben wir auch Publikationen. In Hannover gibt es Patientenuniversität – so etwas haben wir nicht, aber breites Beratungsangebot. Zum Beispiel die Apothekenumschau ist die meist gelesene Zeitschrift dieser Art in Deutschland – jetzt lese ich die auch, meisten Berichte sind gut, informiert Patienten relativ gut. Problematisch ist Internet, weil da auch unseriöse Informationen stehen

CS: Das Redaktionsteam der Apothekenumschau ist mit Apothekern besetzt, eine Ungenauigkeit in der Information bleibt aber, weil wir wegen des Heilmittelgesetzes nicht über verschreibungspflichtige Medikamente schreiben dürfen.

T. Altgeld: Die Fachzeitschriften bilden sich zu Themen Genderaspekte aber auch weiter.

S.Widhalm: Das Problem ist, es wird nicht kommuniziert, Mediziner nicht mit Kommunikationswissenschaftlern und umgekehrt. In der Medizin sollte Gesundheitskommunikation ganz selbstverständlich zum Studium gehören
Wie bringt man Männer und Frauen in Arztgesprächen bei, was sie tun müssen?

BP: Die Uni Münster ist da relativ fortschrittlich, es gibt z. B. das Studienhospital – Schauspieler stellen die Patienten dar, ein Student muss die Anamnese machen, das soll auch die Kommunikation stärken. Es ist schon angekommen, dass „sprechende Medizin“ wichtig ist.

Aus dem Auditorium:
N.N. Ich komme aus der Suchthilfe und stelle fest, das Thema Gender muss man auch wollen, man muss aufgeschlossen sein.

N.N. Ist auch das Thema Häusliche Gewalt in der Weiterbildung verankert?

DD: Es gibt in der Ärztekammer ein eigenes Referat Sucht und Drogen – bei Frauen gibt es ja unterschiedliches Verhalten zu Männern. Das Thema gibt es in entsprechenden Veranstaltungen.

H. König, Verband medizinischer Fachberufe: Wir wünschen uns eine multiprofessionelle Zusammenarbeit auch mit der Ärztekammer. Gerade den Genderaspekt sollten wir multiprofessionell diskutieren – wir ziehen da alle an einem Strang.

KH: Gibt es bei Ihnen Wünsche in Bezug auf die Gender in der Medizin

BP: So früh wie möglich lernen, Gendermedizin nicht nur als Frauenmedizin zu betrachten! Beide Geschlechter lernen und profitieren davon.

DD: Zu wünschen ist verbesserte Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten usw. Die Kenntnisse sind da, müssen übertragen werden, ein Thema beim Ärztetag sollte die Zusatzbezeichnung Gendermedizin sein, aber das ist wahrscheinlich noch ein weiter Weg.

CS: Männer sollen das Thema Gender entdecken, Kindheit und Alter, Geschlecht u.v.m. – Begriff muss gesellschaftlich verstanden werden. Frauen sollen in dem Bereich nicht so sehr unter sich sein.
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