Prof. Marek Glezermann:
Kongress in Japan - Neue Impulse für die Gendermedizin

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12.09.2017
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Vor dem 8. Kongress der Internationalen Gesellschaft für Gendermedizin (IGM) – 14 bis 16. September in Sendai, Japan – sprachen wir mit Prof. Marek Glezerman. Der israelische Arzt und Wissenschaftler ist Präsident der IGM.

Was sind aus Ihrer Sicht die zu erwartenden Höhepunkte beim 8. Kongress der Internationalen Gesellschaft für Gendermedizin?

Prof. Glezerman:
Der wichtigste Höhepunkt ist die Möglichkeit, sich mit den führenden Fachleuten aus aller Welt zu treffen, sich auszutauschen, gemeinsam neue Optionen zu erkunden und direkten Kontakt  zu schaffen und zu pflegen. Der  Kongress steht unter dem Zeichen der alternden Gesellschaft und der Globalisierung. Geschlechtsspezifische Aspekte werden hier sicherlich von großem Interesse sein. Die  Frage  der Beziehung zwischen personalisierter  Medizin und geschlechtsspezifischer Medizin wird sicherlich wieder großes Interesse wecken, wie auch Gender  und Genome, die alternde Bevölkerung und neue Kenntnisse der geschlechtsspezifischen Unterschiede des kardio-vaskulären Systems. All diesen Schwerpunkten sind Symposien und Plenarvorträge  gewidmet, ebenso den geschlechtsspezifischen Aspekten in der Grundlagenforschung.
Während des Kongresses in Sendai werden zudem Neuwahlen stattfinden. Die Pionierinnen der ersten Stunde, die Professorinnen Vera Regitz-Zagrosek aus Deutschland, Marianne Legato aus den USA, Maria Grazia Modena aus Italien und Karin Schenck-Gustafsson aus Schweden werden sich, weil so in der Satzung festgelegt, nicht zur Wiederwahl stellen. Dies trifft auch auf mich persönlich zu.

Im September erscheint ein Buch zur Geschichte der IGM, von Frau Professor Legato und Ihnen  herausgegeben. Ist die Geschichte der Gendermedizin bereits eine Erfolgsgeschichte und was ist in nächster Zeit zu tun?

Prof. Glezerman: Ja, es ist  zweifellos ein Erfolgsgeschichte. In wenigen Jahren ist der  Begriff „Geschlechtsspezifische Medizin“ schon nahezu landläufig geworden, die Anzahl der wissenschaftlichen Publikation steigt jährlich enorm, sie wird zunehmend an Hochschulen gelehrt, nationale und internationale Kongresse werden in wachsendem Maße veranstaltet. Multiplikatoren aus vielen Bereichen interessieren sich für das Thema,  und gute Textbücher, sowie Bücher für das Allgemeinpublikum stehen in steigender Zahl zur Verfügung. Ohne Eigenreklame machen zu  wollen und nur als Beispiel: Mein letztes Buch „Gender Medizin“, welches an das allgemeine Publikum gerichtet ist, erschien vor nur einem Jahr in den USA und  ist  inzwischen in der zweiten Auflage, Übersetzungen in sechs weitere Sprachen – deutsch, spanisch, russisch, portugiesisch, holländisch, koreanisch – sind in Arbeit. Zudem ist  das Buch bereits auch in England, Indien und Australien erschienen. Noch viel bleibt zu tun: Wir müssen vor allem dafür sorgen, dass das neue Wissen auch in die Praxis umgesetzt wird.

Dieses Problem haben wir auch in Deutschland. Was können wir tun, damit die Erkenntnisse der Gendermedizin schneller als bisher in die medizinische Praxis und in die Versorgung von Patientinnen und Patienten einfließen?

Prof. Glezerman:
Der Druck muss von Ärzt/innen kommen. Aus meiner Sicht wäre es wichtig, z. B. Kliniken und Praxen zu errichten, in denen die neuen Erkenntnisse der geschlechtsspezifischen Medizin Anwendung finden. Hier stehen wohl die Kardiologie und die Schmerzbehandlung im Vordergrund, weil es hier sehr gute und gesicherte Erkenntnisse gibt. Zudem müssen mehr Forschungsmittel zur Verfügung gestellt und letztlich müssen Öffentlichkeit und Medien eingebunden werden, um den Druck „von unten“ zu verstärken. Ich spreche hier gern von der Graswurzelbewegung ...

Das Gespräch führte Annegret Hofmann
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