Wie halten es die Geschlechter mit der Prävention?

Artikel
16.07.2018
Alessa Roeser-Tschaftary
Gendermedizin in der Arztpraxis – dieses Thema ist wissenschaftlich immer noch „unterversorgt“. Alessa Roeser-Tschaftary hat sich dessen in ihrer Doktorarbeit angenommen und in einer Berliner Arztpraxis mit Schwerpunkt Kardiologie im Rahmen einer Querschnittsstudie Patienten zu Gesundheitszustand, Lebensstil und Erfahrungen mit Prävention im Sinne gesundheitlicher Vorsorge und Früherkennung befragt.

Dazu die Doktorandin: „Die Befragung von 1056 Frauen und Männern sollte Aufschluss darüber geben, welche Auswirkungen das Geschlecht auf Einstellung, Wissen und Teilhabe an Prävention hat und welche weiteren Faktoren ebenfalls darauf Einfluss nehmen. Als Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin war meine Idee dahinter, gezielt diejenigen Aspekte herauszuarbeiten, die einen erschwerten Zugang zu Prävention bedeuten, und ggf. direkt Ansatzpunkte zu finden, in denen ich als Allgemeinmedizinerin ansetzen kann, um diese Menschen an Präventionsangebote heran zu führen.“

Die Ergebnisse haben, so Roeser-Tschaftary, gezeigt, dass es keinen relevanten Unterschied zwischen Frauen und Männern gibt, was die grundsätzliche Einstellung zu Prävention angeht. Das betrifft auch die Einschätzung der Befragten dazu, wie viel sie bereits für die eigene Gesundheit getan tun bzw. zu ihrer Motivation, mit Lebensstilveränderungen zu beginnen. Bestätigt habe sich - Männer nehmen deutlich seltener an Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitskursen teil als Frauen, obwohl sie, wie dies ja andere Studien bereits gezeigt haben, mehr kardiovaskuläre Risikofaktoren besitzen und häufiger an Vorerkrankungen leiden. Als Grund dafür geben sie deutlich häufiger als Frauen „fehlende Motivation“ an, bzw. dass sie nicht glaubten, diese Präventionsmaßnahmen nötig zu haben. Was die Risikoeinschätzung angeht, neigen Frauen allerdings genau so häufig wie Männer dazu, ihr Herz-Kreislauf-Risiko zu unterschätzen. Das bestätigt wiederum die Ergebnisse der Befri-Studie, bei der Berliner Frauen ihr Brustkrebsrisiko wesentlich höher bewerteten als das von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. (https://gendermed.info/BEFRI-Studie-Bessere-kardiovaskul-re-Beratung.1485.0.2.html)
Andere Faktoren, die sich negativ auf die Inanspruchnahme von Vorsorgeleistungen auswirken, sind gering ausgeprägte Gesundheitskompetenz und ein niedriges Einkommensniveau. Auch nehmen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen seltener an Vorsorgeuntersuchungen teil als Privatversicherte - ein Unding eigentlich, da die Untersuchungen größtenteils schon seit Jahren im Leistungskatalog der GKV stehen!
Menschen in höheren Lebensaltern, so Alessa Roeser-Tschaftary, „haben angegeben, häufiger an Früherkennungsuntersuchungen teilgenommen zu haben, andere Präventionsleistungen, wie Gesundheitssport oder Kurse, werden von ihnen dagegen deutlich seltener in Anspruch genommen. Begründet wird häufig damit, dass gesundheitliche Probleme davon abhalten, was insofern ein wichtiger Punkt ist, als dass moderate Bewegung bei fast allen Erkrankungen des höheren Alters - sei es der Gelenke, der Atmung, oder des Herz-Kreislauf-Systems - in der Regel sehr positive Auswirkungen haben.“

Was die Gesundheitskompetenz angehe, so habe sich zudem gezeigt, dass Patienten mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz zwar genau so häufig wie Personen mit mindestens ausreichender Gesundheitskompetenz angeben, Lebensstilveränderungen beginnen bzw. an Präventionsmaßnahmen teilnehmen zu wollen, aber deutlich häufiger Hindernisse dafür benennen - wie fehlende Zeit bzw. Probleme bei der Suche nach geeigneten Maßnahmen, die sie von der Teilnahme abhalten. Interessant für die angehende Allgemeinmedizinerin: „Sowohl Männer als auch Personen mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz beiderlei Geschlechts geben übrigens an, dass sie sich durch eine detaillierte ärztliche Empfehlung, die den persönlichen Nutzen für sie hervorhebt, durchaus zu Vorsorgemaßnahmen motivieren lassen würden.“ Das müsse doch zu machen sein, meint sie!

Alessa Roeser-Tschaftary studierte Medizin an der Charité Berlin und befindet sich seit 2014 in der Facharztweiterbildung zur Allgemeinmedizinerin. Ihre erste Weiterbildungsstelle war die kardiologische Praxis von Dr. Natascha Hess (Mitglied unseres anna-fischer-Beirats und von G3 – Arbeitsgemeinschaft für moderne Medizin e.V.), wo sie ihre Befragung durchführte.
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