Wie steht es in Brandenburg um die
geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung?

Ist-Stand-Analyse zeigt großes Interesse – und Nachholebedarf

Gendermedizin – Modeerscheinung oder notwendige Entwicklung in der Medizin? Um eine geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung im Land Brandenburg geht es bei einer Ist-Stand-Analyse, die das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie beim Netzwerk Gendermedizin & Öffentlichkeit in Auftrag gegeben hat. Es ist dies die erste Untersuchung zu diesem Thema, die in einem Bundesland erhoben wurde.

Das Team um Annegret Hofmann befragte mehr als 1.000 Multiplikator/innen, die auf verschiedenste Weise in das Gesundheitssystem einbezogen sind – Ärztinnen und Ärzte, Vertreter/innen von Gesundheitsbehörden in den Kommunen, von Vereinen und Verbänden, Gleichstellungsbeauftragte, Krankenkassen... Die Resonanz war unerwartet groß. 

Dazu Annegret Hofmann: „Wir waren skeptisch, ob es in einem Flächenland wie Brandenburg, wo z. B. Ärzte auf dem Lande fehlen, ein offenes Ohr für diese Thematik gibt. Die engagierten Anworten, zu rund 50 Prozent von Ärztinnen und Ärzten, zeigt, das dafür großes Interesse und ein entsprechender Bedarf an Information, Weiterbildung und praktischen Umsetzungsmöglichkeiten besteht.“

In eine Reihe von ausführlichen Interviews wurden potenzielle Mitstreiter/innen für ein Netzwerk auf Länderebene angesprochen und zu ihren Vorstellungen befragt. In Fortsetzung der Ist-Stand-Analyse soll im Laufe des Jahres 2016 ein Workshop zur geschlechtergerechten Gesundheitsversorgung die potenziellen Mitstreiter/innen aus verschiedenen Bereichen zusammenführen und Arbeitsthemen generieren.

Gendermedizin ist nicht nur Sache der Behandler

Für PD Dr. med. Harun Badakhshi, Chefarzt der Klinik für Strahlentherapie am Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam, ist es höchste Zeit, dass eine geschlechterspezifische Betrachtungsweise Einzug in die medizinische Diagnostik und Therapie hält. „Hier erlebe ich immer noch viel Zurückhaltung, das muss sich ändern“, so der Radiologe, der diesbezügliche Erfahrungen vor allem bei der Therapie von Krebspatient/innen sammelte. „Tumorzentren sind ebenso gefordert, Daten geschlechtsspezifisch zur Verfügung zu stellen, wie es für jedes Krankenhaus, jeden Behandler selbstverständlich sein muss, solche Daten erst einmal so konkret wie möglich zu ermitteln und weiterzugeben.“

Badakhshi sieht auch bei den Krebsgesellschaften und den Gremien zur Weiterbildung von Ärzten großen Nachholebedarf.
Eine quasi konzertierte Aktion im Sinne einer geschlechtergerechten Gesundheitsversorgung ist nicht nur Sache der Behandler, so Badakhshi, sondern vieler gesellschaftlicher Kräfte. „Wenn die Politik in Brandenburg hier einen Stein ins Wasser wirft, wird der Kreise ziehen. Im Sinne einer besseren Medizin“, ist sich der Arzt und Wissenschaftler sicher.

(Ausführliche Ergebnisse der Ist-Stand-Analyse Geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung im Land Brandenburg im nächsten Newsletter und in Kürze auf www.gendermed.info.)