„Ich weiß nicht, wohin mit meiner Angst...“
Geflüchtete Frauen in Brandenburg
berichteten über ihre gesundheitlichen Probleme

Artikel
18.12.2018
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Die Gesundheit von geflüchteten Frauen war Thema eines Workshops während der Konferenz „Unsere Stimme zählt! Geflüchtete Frauen aus Brandenburg treffen sich“ am 1.Dezember 2018 in Potsdam. Ich moderierte diesen Workshop, an dem an zweimal fast zwei Stunden insgesamt etwa 30 Frauen teilnahmen. Ihre Herkunftsländer sind so unterschiedlich wie ihre Fluchtgeschichten: Afghanistan, Syrien, Kamerun, Balkanstaaten, sie leben heute in Gruppenunterkünften oder mit ihren Familien in eigenen Wohnungen, zumeist in kleinen Ortschaften Brandenburgs, haben Arbeit oder, und das war fast immer der Fall, warten: auf die Klärung ihres Aufenthaltsstatus’, die Möglichkeit zu arbeiten. Fast alle haben schon Anlauf genommen, deutsch zu lernen. Aber es sei, so eine Frau aus Afghanistan, schon schwierig für sie, als jemand, der kaum eine Schule besucht hat, neben einer Akademikerin zu lernen. Viele gäben in ihrer Situation auf.

Aber die Sprachschwierigkeiten machen den Alltag noch komplizierter. Nicht zuletzt beim Arztbesuch, ob bei eigenen Beschwerden oder solchen der Kinder. Nicht nur, dass in den Einrichtungen des Gesundheitssystems kaum Menschen mit so unterschiedlichen Sprachkenntnissen anzutreffen – wie in diesen Fällen erforderlich – sind. Sprachmittler, die die Frauen begleiten könnten, sind oft Männer. Für die Frauen aus islamisch geprägten Kulturen unmöglich, auf diesem Wege gesundheitliche – vielleicht gar noch im gynäkologischen Bereich liegende – Beschwerden anzubringen. Ich habe selbst vor wenigen Jahren einmal in einer Frauenarztpraxis erlebt, wie schwierig es für Patientin und Ärztin war, die Dolmetscherdienste des heranwachsenden Sohnes der Patientin zu nutzen. Die Frauen möchten sich gern von Ärztinnen untersuchen lassen. Nicht überall und in jedem Fach ist das jedoch möglich...

Andere Situationen, die während des Workshops angesprochen wurden, bezogen sich auf die psychische und psychologische Betreuung der Geflüchteten: Wo gibt es welche Angebote, wer hilft mir in welcher Situation? Es sind, wie sich zeigte, nicht nur schwere Erlebnisse aus der Zeit der Flucht zu verarbeiten, sondern die konkrete Situation im Ankunftsland. Viele Frauen berichteten von Ängsten. Nicht nur, wobei das dominierte, vor Abschiebung und einer noch ungewissen Zukunft, sondern vor dem Alltag in Deutschland, vor Anfeindungen, rassistischen Übergriffen. Und wir wissen ja, Angst macht krank... 

Was ist dringend notwendig bei der gesundheitlichen Betreuung von geflüchteten Frauen? Ich habe während des Workshops eine Reihe von Schwerpunkten notiert. Der wichtigste scheint mir – Kommunikation. Sprachvermittlung, sensible, auch geschlechtersensible sprachliche Begleitung bei Arztbesuchen, in Beratungssituationen. Mehr Aufklärung durch die Krankenkassen (z.B. welche Leistungen bietet die Gesundheitskarte?). Mehr Kenntnisse über besondere, sich aus ihrer Situation ergebende gesundheitliche Probleme der Frauen. Das betrifft Angstbewältigung ebenso wie, eine Gesprächsteilnehmerin berichtete das, Erkrankungen durch Ernährungsumstellungen (auf die europäische Kost). Und vieles andere mehr.

Ist das auch Gendermedizin? Ich denke schon.

Annegret Hofmann
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