Diabetes macht Männer depressiv. Differenzierte Prävention und Therapie erforderlich

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Dr. Susanne Moebus ist Epidemiologin am Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie des Universitätsklinikum Essen, Universität Duisburg-Essen. Als Mitglied im Kompetenznetz Diabetes leitet sie verschiedene Forschungsprojekte zu Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und Prävention. Geschlechtsspezifische Aspekte spielen hier regelmäßig eine Rolle.

Inwieweit ist eine differenzierte Betrachtungsweise beim Typ 2 Diabetes angebracht?
Dr. Moebus: Eine geschlechter- und vor allem auch altersspezifische Betrachtung ist wie bei allen Erkrankungen auch beim Diabetes wichtig. Zum Beispiel können bei 60-jährigen Diabetikern und Diabetikerinnen wichtige Therapiemaßnahmen wie etwa Lebensstiländerungen – und hier insbesondere körperliche Bewegung – besser umgesetzt werden als bei 80-jährigen. Noch deutlicher wird ein notwendiger altersspezifischer Umgang mit dem Diabetes, wenn der vermehrt zu beobachtende Typ 2 Diabetes bei Kindern und Jugendlichen berücksichtigt wird.

Gibt es Unterschiede beim Geschlecht?
Dr. Moebus: Geschlechtsspezifische Aspekte in Bezug auf Diabetes sind bislang wenig untersucht. In einer unserer Studien haben wir aber festgestellt, dass Männer mit unentdecktem Diabetes verglichen mit Männern ohne erhöhte Glukosewerte einen niedrigeren Depressionsscore haben. Das kann dahin gehend gedeutet werden, dass es Männern mit hohen – ihnen aber nicht bekannten – Blutglukosespiegeln deutlich besser geht.
Männer, die von ihrem Diabetes wussten, tendieren also häufiger zu Depressionen als solche, die zwar Krankheitswerte aufweisen, davon aber nichts wissen. Das war bei Frauen so nicht zu beobachten und sollte den behandelnden Arzt darauf hinweisen, dass er Männer und Frauen dementsprechend anders therapieren muss.

Was bedeutet das konkret für die Therapie?
Dr. Moebus: In Bezug auf unsere Studie heißt das, dass eine Depression häufig bei Männern nicht erkannt wird und Männer oftmals seltener Unterstützung bei psychischen Erkrankungen erhalten und verlangen.
Diese Unterschiede zu kennen ist aber auch wichtig, wenn es beispielsweise darum geht, angemessene Präventionsmaßnahmen zu entwickeln. Als besonders wirksam haben sich die Erhöhung der körperlichen Aktivität bzw. Lebensstiländerungen insgesamt erwiesen.

Ist eine Patientengruppe gefährdeter zu erkranken als die andere?
Dr. Moebus: Ein ungesunder Lebensstil bedeutet immer - Gefährdung. Menschen, die sich kaum körperlich bewegen – und dabei geht es nicht nur um Sport – und viele hochkalorische Lebensmittel über einen langen Zeitraum zu sich nehmen, haben ein hohes Risiko an Diabetes zu erkranken. Erkennbar ist das an einem hohen Bauchumfang unabhängig vom Geschlecht. Es konnte festgestellt werden, dass der Bauchumfang das Risiko präziser vorhersagt als der Body-Mass-Index (BMI). Auch diejenigen, die sonst relativ schlank sind, aber viel Bauchfett haben, haben ein erhöhtes Risiko.

Was für eine Rolle spielt das Alter?
Dr. Moebus: Die Entwicklung eines Typ 2 Diabetes verläuft fast immer schleichend und sehr lange symptomlos. Man geht mittlerweile davon aus, dass schon im Jugendalter subklinische Veränderungen beginnen. Es ist aber eine Erkrankung, die erst im höheren Alter klinisch auffällig wird, weshalb auch häufig von Altersdiabetes gesprochen wird. Beunruhigenderweise wird aber immer häufiger auch bereits bei Kindern und Jugendlichen ein Typ 2 Diabetes diagnostiziert. Dies wird vor allem mit dem Genuss von großen Mengen schnell abbaubarer Kohlenhydrate und mangelnder Bewegung in Zusammenhang gebracht.

(Das Gespräch führte Aline Klett)
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