Erste wissenschaftliche Studien zu den Effekten der Pandemie zeigen, einige Menschen sind mehr als andere von den Folgen betroffen. Umfragen deuten auf einen Anstieg von Depressionen und Angst- und Panikstörungen hin. Dass dies nicht zuletzt Jugendliche betrifft, konnte ich in der Tagesklinik erleben.
Es war zunächst eine Herausforderung, eine Balance zwischen notwendigen Hygienevorschriften und einem hilfreichen Therapiesetting zu finden. Die strenger werdenden Hygienevorschriften verunsicherten viele Jugendliche. Das Entwickeln einer therapeutischen Beziehung ist mit Maske erschwert. Gerade im Einzelgespräch spielt das Emotionenspiel der Mimik eine wichtige Rolle. Bei Familiengesprächen und Gruppentherapie gilt das ebenso. Auf einen Patienten mit einer Zwangsstörung, der gerade versucht, seinen Waschzwang oder Kontaminationszwang unter Kontrolle zu bringen, haben Mundschutz und der Hinweis auf kontrolliertes Händewaschen natürlich eine negative Auswirkung.
Um die Hygienevorschriften annähernd umsetzten zu können, sollte in der Tagesklinik mit nur halber Belegung gearbeitet werden. Dazu mussten Patient/innen mit milder Symptomatik entlassen werden, geplante Entlassungen wurden vorgezogen. Das wirkte sehr beunruhigend auf manche Patient/innen. Sie fragten sich, ob sie bald zurück in die Lebenssituation müssen, die sie einst in die Klinik gebracht hatte. Dazu kam das tägliche Corona-Testen. Einige setzten Symptome natürlich auch quasi strategisch ein – gerade um nach Hause gehen können. Andere wieder entwickelten allerdings auch psychosomatische Beschwerden.
Das Infektionsrisiko in der Tagesklinik ist hoch. Es wäre dennoch wenig sinnvoll, den Jugendlichen nahe zu legen, ihr soziales Bezugssystem zu vermeiden. Ist doch soziale Unterstützung ein entscheidender Resilienzfaktor. Auch Familien und Sozialarbeiter/innen kommen täglich zu Gesprächen und Therapie vorbei. Diesem Risiko sind Patient/innen und Mitarbeiter/innen ausgeliefert.
Für mich als zukünftigem Psychologen wurde klar – die klinische Praxis muss sich neuen Bedingungen stellen. Ein Ausbau von eHealth und online-Psychotherapie könnten hilfreiche Ansätze dafür sein.