Das differenzierte Schmerzempfinden von Frauen und Männern ist wesentlich auf eine unterschiedliche Aktivierung schmerzrelevanter Areale im Gehirn zurückzuführen. Frauen aktivieren Schmerz im wesentlichen über das limbische System, über die Emotionen. Bei Männern dagegen wird der Schmerz kognitiv aktiviert und wahrgenommen.
Verantwortlich für die unterschiedliche Wahrnehmung des Schmerzes kann ursächlich eine hormonelle Differenz sein; hohe Östrogenspiegel aktivieren Schmerz. Die unterschiedliche Ansprechbarkeit von Opioiden bei Frauen und Männern belegt diese These.
Der chronische Bauchschmerz tritt vorwiegend bei Frauen auf. Hier wurden Zusammenhänge zwischen Schmerzempfindung und sozialem Status festgestellt. So werden die Lebensbeeinträchtigungen durch Bauchschmerz von Frauen mit geringerer Schulbildung und niedrigerem Einkommen stärker empfunden als von anderen Betroffenen. Beim Reizdarm - häufigste gastroenterologische Diagnose in westlichen Ländern - sind die Auswirkungen bei Frauen und Männern unterschiedlich: Frauen geben häufiger Obstipation (Verstopfung) an, bei Männern überwiegt die Diarrhoe (Durchfall). Hier ist die Entwicklung unterschiedlicher Therapieansätze bei Frauen und Männern geboten, nicht nur weil sie die Lebensqualität beeinflussen, sie stellen auch einen beträchtlichen Faktor in den Gesundheitskostendar.
Bei Migräne -14 Prozent der Frauen, aber nur sieben Prozent aller Männer sind davon betroffen - ist die Wirksamkeit von Medikamenten wahrscheinlich hormonell bedingt. So ist die menstruationsassoziierte Migräne häufig therapieresistent gegenüber Schmerzmitteln und schwächeren Triptanen. Alternativ sollten stark wirkende Triptane und langanhaltende Schmerzmittel gegeben werden.
An der Fibromyalgie - eine Erkrankung, die durch chronische Schmerzen in mehren Körperregionen gekennzeichnet ist, leiden beonders viele Frauen. (In den westlichen Industriestaaten betrifft dies 3.4 Prozent aller Frauen, Männer nur 0,5 Prozent.) Auch hier wurden hormonbedingte Aspekte festgestellt. So klagen Patientinnen prä- und perimenstruell über mehr Schmerzen als nach der Menstruation. Ein niedriger Spiegel von Östrogen und Progesteron scheint eine höhere Schmerzempfindlichkeit hervorzurufen.
Reha-Patientinnen bei Erkrankungen des Haltungs- und Bewegungsapparates geben häufiger als Männer Schmerzsymptome und chronische Schmerzen an. Sie nehmen häufiger an Reha-Maßnahmen teil, stehen aber den dort erbrachten schmerzlinderungsorientierten Leistungen kritischer gegenüber. Sie sind dennoch aufgeschlossener gegenüber Maßnahmen wie Schulungen und Ernährungshinweisen als männliche Rehabilitanten.
Genaue Diagnose des Schmerzes ist bei Schmerzpatienten immer noch sehr schwierig, die Therapieversuche sind oft wenig erfolgreich. Unsere mangelnde Kenntnis auf dien Gebieten treiben die Gesundheitskosten nach oben. Statistische Erhebenungen ergaben bei Patientinnen mit chronischen Rückenschmerzen 96 Arbeitsunfähigkeitstage im Jahr, bei Männern 86 Tage). Geschätzt werden im EU-Raum jährlich rund 10 Milliarden Euro für direkte medizinische Leistungen bei Rückenschmerzen ausgegeben. Die Kosten für verloren gegangene Arbeitszeit belaufen sich jährlich auf weitere 10 bis 15 Milliarden Euro.
Der unübersichtliche Schmerzmittelmarkt, die ständigen „Neuentwicklungen“ der Pharmahersteller erschweren die Therapie von Schmerzpatient/innen. Unkontrollierbare Werbung kann im schlechtesten Fall Suchtverhalten und Abhängigkeit befördern. Gerade die Mischanalgetika bergen ein hohes Missbrauchspotenzial. Hier sind mehr und bessere Patientinneninformationen erforderlich. (Der Beipackzettel wird laut Umfragen von nur 60 Prozent der Frauen gelesen.)