Schön, dass es solche Veranstaltungen gibt! 1997 meine Antrittsvorlesung – die Frau in der klinischen Forschung –das war ein Exotenthema!
Die Genderspezifik zieht sich durch die gesamte Medizin, hat biologische als auch soziale Komponenten. Beispiel Herzinfarkt, früher als Männerkrankheit definiert, aber mehr als Drittel der Erkrankten sind Frauen - älter als die betroffenen Männer, kommen im Schnitt 45 Minuten später bei Ärzten usw. an. Warum? Sie verdrängen Symptome, zumal diese auch „anders“ sein können, räumen die Wohnung auf, sorgen sich, dass die Familie, der Partner versorgt sind.. Ein Potpourri von Komponenten, die zeigen, dass Frauen beim Infarktgeschehen eine schlechtere Position haben als Männer, auch mit der Folge, dass die Sterblichkeit höher ist.
Haben Frauen „atypische Symptome“, den Infarkt betreffend? So formulierte es kürzlich wieder ein Kollege. Das zeigt, wo bei vielen noch immer der Maßstab gesehen wird.
Obwohl sich gerade in der Kardiologie viel tut – Fortbildungen! -, werden die Therapiestrategien noch vorwiegend bei Männern getestet und diese als Maßstab angesehen. Beispiel Medikamente, aber auch Herzkatheter oder Stents. Sie entsprechen sehr oft nicht den Verhältnissen im weiblichen Körper, darüber klagen die Spezialisten oft noch.
Unterschiedlichkeit des genetischen Bauplans – die Folge ist, dass Medikamente unterschiedlich wirken.
Betablocker: sind zwa r hilfreich, haben bei Frauen aber mehr unerwünschte Nebenwirkungen, ebenso ACE-Hemmer (Husten als Nebenwirkung).
Medikamenteneinsatz ist ein Abwägen von Nutzen und Schaden, hier zeigen sich oft Unterschiede in der Geschlechterspezifik. Mitunter sind sie klein und unerheblich, aber es gibt auch solche, die eindeutig nicht für Frauen geeignet sind. (Beispiel:
Ein Drittel der unterschiedlichsten Medikamente, die vom Markt genommen werden mussten, hat Herzrhythmusstörungen hervorgerufen, wobei Frauen stärker betroffen waren als Männer – ein komplexes Geschehen, das mit Faktoren wie unterschiedliche Herzreizleitung und Zyklusgeschehen zusammenhängt.
In die verschiedenen Phasen der Arzneimittelprüfung werden etwa 3000 bis 5000 Menschen einbezogen, bevor die Medikamente auf den Markt kommen. In der Phase 1 sind dies in der Regel gesunde Männer jüngeren Alters. Bei den späteren Phasen, in die Patienten einbezogen werden, kommen auch Frauen hinzu, aber da werden bestimmt Dinge nicht mehr getestet, wichtige Informationen gehen verloren. Warum werden Frauen nicht frühereinbezogen? Sie könnten schwanger sein, und nach den Conterganerfahrungen ist dies ein Ausschlusskriterium. Mit entsprechenden Folgen: Frauen und Männer sind z. B. zu je 50 Prozent von Bluthochdruck betroffen, in der Arzneimitteltestung beträgt der Frauenanteil nur 36 Prozent, bei Atemwegserkrankungen nur 20 Prozent.
Was kommt für die Fachinformationen für Ärzte und für die Beipackzettel dabei heraus? Hier entwickelt sich langsam etwas hin zu mehr Information: Bei der Hälfte der Medikamente steht in den Fachinformationen, dass sie für Frauen und Männer gut getestet wurden. Der Hinweis, dass es geschlechtsunterschiedliche Testergebnisse gibt, findet sich bei 12 Prozent der Fachinformationen. Ein besonderer Aspekt ist die medikamentöse Behandlung älterer Menschen.
Es gibt- entsprechend einer von uns vorgelegten Liste - potenziell inadäquate Medikamente für ältere Menschen (ab 65 Jahre), trotzdem erhalten Frauen dieser Altersgruppe immer noch häufig und vor allem häufiger als Männer diese für sie problematischen Arzneimittel, z. B. mehr Psychopharmaka,
Die Beispiele zeigen: Verstärkte Forschung, vor allem in der Versorgungsforschung, und gezielte Kommunikation zu diesen Themen sind weiterhin und umfassender erforderlich.
Prof. Petra Thürmann, Wuppertal:
Welche Pille für wen? Genauer hinschauen in der Pharmakotherapie
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