- Versorgungsforschung und Evidenzbasierte Medizin haben sich dem Thema Gendermedizin und geschlechtersensible Gesundheitsversorgung noch viel zu wenig gewidmet, aus diesem Grund geben sie kaum Impulse für die Umsetzung der Gendermedizin in die Versorgungspraxis.
- Bei der Entwicklung von Medikamenten, in klinische Studien müssen, beginnend beim Tierversuch, alle Geschlechter einbezogen werden.
- Sowohl die Fachinformationen wie auch die für Patient/innen (Beipackzettel) müssen nachvollziehbar auf unterschiedliche Einnahmemodalitäten und Wirkweise bei Frauen und Männern hinweisen.
- Digitalisierung funktioniert nicht ohne die Erkenntnisse der Gendermedizin: Ärzt/innen, Pflegende und Patient/innen im Gesundheitssystem in die Entwicklung entsprechender Medien einbeziehen, Telemedizin auch auf die Möglichkeiten älterer Patient/innen ausrichten.
... bei Aus-, Fort- und Weiterbildung:
- Gendermedizin gehört als Querschnittsfach obligatorisch in das Studienfach Medizin, wie dies z.B. vom Bundesverband der Medizinstudierenden gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Patientensicherheit für dieses Thema gefordert wird.
- Wissenschaftliche Arbeiten, Studien und Analysen müssen alle Geschlechter einbeziehen und entsprechend ausgewertet werden. Das muss auch in Veröffentlichungen/Jahresarbeiten/Dissertationen/Habilschriften usw. ausgewiesen wie auch in die Prüfungsordnung eingebunden werden.
- In den Berufsverbänden wie auch bei den Ärztekammern gibt es viel zu wenige bis gar keine Weiterbildungsangebote bezüglich Gendermedizin in den unterschiedlichen Fächern. Das muss sich ändern!
- Bei der Ausbildung von Pflegenden ist Gendermedizin bislang zumindest in Deutschland kein Thema – ein eklatantes Defizit!
... in der ärztlichen Praxis, im Krankenhaus, in Reha und Pflege:
- Ärzt/innen brauchen Informationen und Handlungsanleitungen. Auf der Grundlage solider wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Gendermedizin muss diese zügigen Niederschlag finden in die Leitlinien der Fachgesellschaften, in Disease Management Programmen und nicht zuletzt bei den diagnosebezogenen Fallgruppierungen (DRG).
- Eine Re-Evaluierung von entsprechenden Programmen durch die Kostenträger ist notwendig.
- Mit einer stärkeren sektorübergreifenden Zusammenarbeit am Patienten – im Ärztehaus, im Krankenhaus, im Klinikverbund usw. – können gendermedizinische Erkenntnisse besser genutzt werden. Beispielhaft sind dabei z.B. Projekte wie das interdisziplinäre Polypharmazieboard in Kärntner Kliniken.
- Praxen und Krankenhäuser sollten verstärkt genderspezifische Sprechstunden anbieten – Beispiele sind die Kardiologische Praxis Rankestraße/Dr. Natascha Hess, Berlin, und die Herzsprechstunden für Frauen am Herzzentrum Leipzig/Prof. Dr. Sandra Eifert.
- Fachgebiete wie Diabetes und Rheuma, aber auch andere sind für geschlechterspezifische Angebote gut geeignet, weil es dabei schon viele relevante Erkenntnisse zu Geschlechterunterschieden gibt.
- „In diesem Krankenhaus, dieser Klinik, dieser Praxis wird geschlechtersensibel behandelt“ – dies sollte ein Qualitätslabel werden.
- Geschlechterspezifische Rehabilitation muss dort, wo es sinnvoll ist, die Regel werden. In der kardiologischen Reha gibt es dafür schon vielversprechende Erkenntnisse – Beispiele sind die Klinik Höhenried und das MZG Bad Lippspringe (Reha-Programm ReGe – Rehabilitation Geschlechtergerecht). Davon müssen die Kostenträger überzeugt werden.
... für Patientinnen und Patienten:
- Bis jetzt ist der Kenntnisstand sehr gering. Das ändert sich, wenn Patientinnen und Patienten verstärkt nach Gendermedizin und einer geschlechtersensiblen Diagnostik und Therapie fragen.
- Große Wissensdefizite gibt es zum Beispiel auch bei den Selbsthilfegruppen. Hier können Informationen zu den Unterschieden bei verschiedenen Erkrankungen dabei helfen, diese besser zu bewältigen.
- Mehr Öffentlichkeitsarbeit: Populäre Medien, Influencer/innen und andere mit Informationen versorgen, für das Thema gewinnen!
- Gesundheitsangebote – in Sportvereinen, Studios, aber auch in Volkshochschulen, bei Präventionskursen der Krankenkassen – müssen geschlechtergerecht gestaltet werden.
- Krankenhäuser, Ärztehäuser, Praxen, Fach- und Hausarztverbände, die Kassenärztliche Vereinigung oder auch die Landesärztekammer richten – gemeinsam mit den Kommunen – einen „Gendermedizin-Tag“ zur Patient/innen-Information aus.
- Frauen- bzw. Männergesundheitsberichte sollten sinnvollerweise stärker als bisher verglichen werden – Gendergesundheitsbericht! – um die notwendigen praktischen Maßnahmen für eine Verbesserung der Versorgung ergreifen zu können. Das trifft auch für die Gesundheitsberichterstattung der Länder zu.
- Wenn geschlechtersensible Gesundheitsversorgung mehr Qualität, mehr Patientensicherheit und mehr Patientenzufriedenheit hervorbringt, hilft das Kosten im System zu sparen. Forschung und Translation rechtfertigen es, dass mehr Geld als bisher dafür zur Verfügung gestellt wird. Leistungen auf diesem Gebiet müssen entsprechend vergütet werden.
- Gesundheitspolitiker/innen, Kassen, Kammern und Verbände aller Ebenen ins Boot holen! Wer auf dem Weg zu einer Personalisierten Medizin ist, kommt an der Gendermedizin nicht vorbei.
- Den nationalen oder auch internationalen Förderprojekten der Gendermedizin muss unbedingt eine Vernetzung und Institonalisierung folgen – auch in Form starker Allianzen und der Bündelung aller Expertisen.
Das Ziel:
2021 – das Jahr der Gendermedizin und geschlechtersensiblen Gesundheitsversorgung –
in Deutschland wie in Österreich!