Berücksichtigung von Frauen bei der Arzneimittelforschung

Artikel
15.08.2011

Presseinformation des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa) zur, Frage, ob Frauen in ausreichendem Maße bei der Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln berücksichtigt werden.

Im Rahmen des auch von der Bundesregierung unterstützten Prinzips von „Gender Mainstreaming“ – d. h. der Gleichstellung von Mann und Frau in allen Lebensbereichen – wird von Teilen der Wissenschaft, Krankenkassen und Politik u. a. diskutiert, ob geschlechtsspezifische Unterschiede im medizinischen Bereich (Gendermedizin) ausreichend berücksichtigt werden. Inzwischen gibt es in Deutschland auch einige Lehrstühle, die gezielt zu dieser Thematik Forschungsprojekte durchführen und tatsächlich einzelne diagnostisch oder therapeutisch relevante Unterschiede identifizieren konnten. Dies führt zu der Frage, ob Frauen in ausreichendem Maße bei der Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln berücksichtigt werden.

Parallel dazu besteht in der Arzneimitteltherapie seit Jahren ein Trend zur „personalisierten Medizin“. Darunter wird verstanden, dass im konkreten Einzelfall bei der Verordnung der Medikamente und ihrer Dosierung nicht nur die diagnostizierte Krankheit, sondern auch die physische und genetische Konstitution von Patient oder Patientin umfassend berücksichtigt wird. So sollen Nebenwirkungen gering gehalten, die Therapietreue gefördert und vor allem ein vergeblicher Einsatz von Präparaten vermieden werden. Neben vielen anderen Aspekten – etwa dem genetisch bedingt unterschiedlichen Abbauvermögen für Arzneistoffe – spielen auch Geschlecht und geschlechtsspezifische Komedikationen (v. a. Sexualhormone zur Empfängnisverhütung) eine Rolle.


Ausgangslage

1977 veröffentlichte die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA eine Anweisung (Policy), gebärfähige Frauen von frühen klinischen Studien der meisten Arzneimittel auszuschließen. Dies geschah – nicht zuletzt auf Grund der Contergan-Katastrophe – im Hinblick auf mögliche negativen Folgen bei einer Schwangerschaft und im Hinblick auf die Fertilität. In der Folge waren gebärfähige Frauen von Studien der Phase I (Studien mit gesunden Freiwilligen) und der frühen Phase II (erste Studien mit einer kleinen Zahl von Erkrankten) in der Regel ausgeschlossen, und die bei Männern gewonnenen Studienergebnisse wurden weitestgehend auf Frauen übertragen. Diese Anweisung wurde erst 1993 mit der Publikation der FDA „Guideline for the Study and Evaluation of Gender Differences in the Clinical Evaluation of Drugs (Federal Register 1993, 58 (139): 39406-16)“ revidiert. Darin wurden die Firmen aufge¬for¬dert, bei der Arzneimittelentwicklung Patienten beiderlei Ge¬schlechts einzubeziehen und sowohl bei der Wirksamkeit als auch Unbedenklichkeit nach signifikanten Unterschieden zwischen Männern und Frauen zu suchen. Diese veränderte Einstellung der FDA wurde durch zwei Aspekte bewirkt: Zum einen durch die Erkenntnis, dass die Unterschiede zwischen Frauen und Männern (u. a. in Fett-, Muskel- und Knochenmasse, Hormonstatus, für den Um- und Abbau von Arzneistoffen relevante Enzymaktivitäten, Art und Anzahl von Rezeptoren und Schmerzempfindlichkeit) Einfluss auf die Wirksamkeit oder Verträglichkeit von Arzneimitteln haben können. Zum anderen trug man dem Recht der Frauen auf eigene Entscheidung über die Teilnahme an einer klinischen Prüfung Rechnung.

In einigen Bereichen, z. B. bei HIV-Infektionen, waren bereits vor der neuen Forderung der FDA Frauen sehr frühzeitig in die Entwicklung von Arzneimitteln einbezogen worden. So hatte nach einer Untersuchung der FDA im Zeitraum 1988-1994 bei 136 von 156 HIV-Studien der Frauenanteil zwischen 13 und 64 Prozent betragen, und bei den 20 Studien ohne Frauenbeteiligung waren diese nicht von vornherein von der Prüfung ausgeschlossen worden; es zeigte sich vielmehr, dass keine Patientin in das Raster der Aufnahmekriterien passte.

1999 erhielt die FDA schließlich die Befugnis, die klinische Entwicklung eines Arzneimittels stoppen zu können, falls das die Studie veranlassende Unternehmen bei einer lebensbedrohlichen Indikation Frauen im reproduktionsfähigen Alter von einer klinischen Prüfung auszuschließen versucht. Davon hat sie jedoch nie Gebrauch machen müssen.


Internationale Leitlinien

Ende 2004 wurde von der Internationalen Harmonisierungskonferenz ICH bestätigt, dass die Berücksichtigung von Frauen bereits in den international geltenden wissenschaftlichen Leitlinien zur Durchführung klinischer Prüfungen, ausreichend geregelt ist. Die ICH wurde 1990 auf Initiative der Europäischen Kommission mit dem Ziel gegründet, die Zulassungsanforderungen für Medikamente in den USA, der EU und Japan zu vereinheitlichen; dadurch sollen insbesondere unnötige Doppelprüfungen vermieden und die Entwicklung neuer Arzneimittel beschleunigt werden. Bei der ICH arbeiten Experten aus den Zulassungsbehörden und der Industrie dieser drei Regionen sowie weiterer Länder und der Weltgesundheitsorganisation WHO zusammen. Die Vertreter der USA, der EU und Japans legten Studien vor, nach denen Frauen mehr als die Hälfte (USA) bzw. knapp die Hälfte (Japan) der Teilnehmer in Phase II- und Phase III-Studien stellten. In der EU entsprach die Teilnehmerquote von Frauen im Zeitraum 2000 bis 2003 etwa deren Anteil in der jeweiligen Patientengruppe.


Explizite Regelung in Deutschland / Erfahrungen

Dessen ungeachtet wurde bei der Umsetzung der EG-Richtlinie zur Harmonisierung klinischer Prüfungen in deutsches Recht im 12. Änderungsgesetz zum Arzneimittelgesetz verankert, dass die vorgelegten Unterlagen zur klinischen Prüfung auch geeignet sein müssen, „den Nachweis der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit eines Arzneimittels einschließlich einer unterschiedlichen Wirkungs-weise bei Frauen und Männern zu erbringen“. Diese Anforderung ist seit dem 06. August 2004 gültig. In der zugehörigen Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen (GCP-Verord¬nung), die zeitgleich in Kraft getreten ist, wird im Antrag auf Genehmigung einer klinischen Prüfung eine Begründung verlangt, dass die gewählte Geschlechter-verteilung zur Feststellung möglicher geschlechtsspezifischer Unterschiede bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit des geprüften Arzneimittels angemessen ist. Fehlt diese oder ist diese nicht ausreichend, kann die Genehmi¬gung verweigert werden.

Im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur „Umsetzung der in der 12. AMG-Novelle des Arzneimittelgesetzes enthaltenen Regelungen zur angemessenen Berücksichtigung von Frauen in klinischen Arzneimittelprüfungen“ hatte die Bundesregierung im Oktober 2007 die bis dahin gesammelten Erfahrungen veröffentlicht. Danach waren seit dem Inkrafttreten der GCP-Verordnung im August 2004 bei den zuständigen Bundesoberbehörden – dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Paul Ehrlich Institut (PEI) – bis Ende September 2007 insgesamt 3.900 Anträge auf Genehmigung klinischer Prüfungen eingegangen. Bei den genehmigten Prüfungen waren bei 5 Prozent in der Phase II und bei 7 Prozent in der Phase IV keine Frauen vorgesehen. Bei den für die Zulassung besonders relevanten Phase III-Studien, an denen auch die meisten Personen teilnehmen, seien lediglich in 3 Prozent keine Frauen vorgesehen gewesen. Diese Studien seien aber in Indika¬tionsbereichen wie Prostatakrebs durchgeführt worden, die ausschließlich bei Männern vorkommen.

Phase I-Studien werden auch weiterhin überwiegend mit männlichen Probanden durchgeführt. An 34 Prozent der Phase I-Studien waren keine Frauen beteiligt. Begründet wird dies mit Sicherheitsüberlegungen, da in dieser frühen Phase der Entwicklung eines Arzneimittels die Risiken für Frauen im Hinblick auf eine Schwangerschaft oder die Fertilität noch nicht abgeklärt sind.

Frauen im gebärfähigen Alter, die an Studien teilnehmen, werden zu zuverlässiger Verhütung mit zwei voneinander unabhängigen Verhütungsmethoden verpflichtet.

In der Beantwortung einer ähnlichen Kleinen Anfrage (Drucksache 17/6634 vom 20.07.2011) informiert die Bundesregierung, dass vom 1. August 2004 bis 10. Juli 2011 bei 926 von 6.959 beim BfArM eingereichte klinische Prüfungen kein Einschluss von Frauen und bei 447 klinischen Prüfungen kein Einschluss von Männern vorgesehen war. Von 1.366 genehmigten klinischen Prüfungen in der Zuständigkeit des PEI fanden 57 ohne die Beteiligung von Männern, 68 ohne die Beteiligung von Frauen und 1.236 mit Männern und Frauen statt. Der Ausschluss von Männern und Frauen war meist indikationsbedingt. Frauen waren von Studien ausgeschlossen, die Prostata-Karzinom, Gerinnungsfaktoren und Erstanwendungen von Arzneimitteln am Menschen betrafen. Männer waren überwiegend ausgeschlossen von Brust- und Gebärmutterkrebsstudien. Die Bundesregierung verweist darauf, dass
  • geschlechtsspezifische Auswertungen regelmäßiger Bestandteil der Auswertungen klinischer Prüfungen sind und die angemessene Beteiligung von Frauen bzw. Männern bei den Bundesoberbehörden (BfArM und PEI) bei der Bewertung jedes Antrags auf Genehmigung der klinischen Prüfung geprüft wird. Die Beteiligung von Männern bzw. Frauen wird dabei bezogen auf die Art der klinischen Prüfung, insbesondere die Art der Erkrankung und die Phase der klinischen Prüfung beurteilt.
  • eine vorgeschriebene Mindestbeteiligung von Frauen für klinische Prüfungen in Deutschland nur begrenzt hilfreich und eine generelle Vorgabe zum Einschluss einzelner Subgruppen in klinische Studien, die über die wissenschaftliche Forderung einer angemessenen Beteiligung hinausgeht, nicht sinnvoll sei.


EMA-Analyse zu Herz-Kreislauf-Präparaten


In einem Ende 2006 veröffentlichten „Reflection Paper“ hatte die Europäische Zulassungsagentur EMA eine Bestandsaufnahme der Regelungen für die Entwicklung neuer Herz-Kreislauf-Medikamente im Hinblick auf geschlechtsspezifische Unterschiede vorgenommen. Danach müssen die Patienten in klinischen Studien repräsentativ für die später mit dem Medikament behandelten Patienten sein. Insgesamt wird der Frauenanteil in den klinischen Studien von der EMA als repräsentativ bezeichnet, auch wenn er in einigen Fällen wie bei Herzinsuffizienz nahe der unteren akzeptablen Grenze liegt.


Auswertung der Zulassungsstudien bei der EMA


Eine 2007 publizierte Auswertung der Zulassungsstudien, die von 2000 bis 2003 bei der EMA eingereicht worden waren, ergab folgendes Bild: Von den in diesem Zeitraum zugelassenen 110 Medikamenten wurden 12 Frauen- und 5 Männer-spezifische Präparate sowie 6 Diagnostika ohne Wirksamkeitsstudien ausgeschlossen. Bei den verbleibenden 87 Arzneimitteln wurden die hierfür eingereichten 250 Studien mit rund 158.000 Teilnehmern daraufhin untersucht, ob der Frauenanteil etwa dem der Patienten mit der jeweiligen Erkrankung entsprach. Die Autoren stellten fest, dass es keine relevanten Abweichungen von dieser Verteilung gab.


vfa-Auswertung der EU-Zulassungen

Bei der Auswertung der öffentlichen Bewertungsberichte (EPARs)(1) der EMA für die 21 im Jahr 2010 EU-weit zugelassenen Medikamente mit neuen Wirkstoffen ergibt sich folgendes Bild: Bei 7 Arzneimitteln lag der Anteil der Frauen bei den Zulassungsstudien bei 50 Prozent oder mehr, bei weiteren 6 Arzneimitteln zwischen 30 und 50 Prozent und in zwei Fällen bei 28 Prozent, wobei dies in einem Fall dem Verhältnis entspricht, wie häufig Frauen von der Erkrankung betroffen sind; außerdem in je einem Fall bei 29 und 26 Prozent. Ein Medikament gegen Prostatakrebs wurde naturgemäß nur an Männern geprüft. Bei 2 Medikamenten ist der tatsächliche Anteil von Frauen in den klinischen Studien nicht angegeben, jedoch ist im EPAR ausdrücklich festgehalten, dass keine geschlechtsspezifischen Unterschiede gefunden wurden bzw. diese nicht Dosis-relevant sind. Bei einem Influenzaimpfstoff ist der Frauenanteil im EPAR nicht eigens ausgewiesen; die Einschlusskriterien umfassten aber sowohl Männer als auch Frauen.


vfa-Position

Alle bisherigen Studien haben gezeigt, dass es zwar statistische Geschlechtsunterschiede insbesondere in der Pharmakokinetik (d. h. in der Konzentration von Wirkstoffen im Blut und in ihrer Verweildauer im Körper nach der Einnahme) gibt, diese aber – weil sie klein sind – in aller Regel keine praktischen Konsequenzen für die Dosierungsvorschriften der Arzneimittel haben. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Individuen sind grundsätzlich größer als die erst nach statistischer Mittelung über viele Einzeldaten erkennbaren geschlechtsspezifischen Unterschiede: So gibt es erhebliche Unterschiede im Gewicht („Fliegen-“ versus „Schwergewicht“), in Fett- und Muskelanteil (durchtrainierter versus unsportlicher Typ) und der Funktionsleistung von Leber und Niere. Hinzu kommen die Unterschiede in der Lebensführung (Zeitpunkt und Art der Mahlzeiten; Gebrauch von Genussmitteln), die ebenfalls Einfluss auf die Wirksamkeit von Medikamenten haben können.

Die meisten Medikamente sind jedoch so entwickelt, dass ein günstiges Verhältnis von Wirksamkeit und Nebenwirkungen nicht nur beim exakten Erreichen einer Zieldosis, sondern innerhalb eines breiten Dosiskorridors (einem „therapeutischen Fenster“, wie Pharmakologen sagen) erreicht wird. Das ermöglicht, dass Patienten trotz der genannten individuellen Unterschiede mit Tabletten (Kapseln etc.) der gleichen Wirkstärke behandelt werden können.

Ausnahmen sind ein Präparat gegen Haarausfall, das wegen der deutlichen Unterschiede in der Dosierung in einer eigenen Aufmachung für Männer bzw. für Frauen im Mark ist, und ein Medikament zur Behandlung von Fertilitätsstörungen, das bei Männern und Frauen unterschiedlich dosiert werden muss. Für einen weiteren Wirkstoff gegen chronische Verstopfung, der derzeit nur für Frauen zugelassen ist, hat sich in den klinischen Studien vor der Zulassung bereits gezeigt, dass Männer eine höhere Dosis benötigen. Deren Höhe soll in zusätzlichen Studien ermittelt werden, bevor die Zulassung auch auf Männer ausgeweitet werden kann.

Wo es tatsächlich auf die genaue Einstellung eines Wirkstoffspiegels oder eines hiervon abhängigen Körperparameters ankommt, wird in der Gebrauchsinformation keine Festdosierung angegeben, sondern eine individuelle Dosierung angegeben, die durch Messung der betreffenden Parameter eingestellt wird. Beispiele hierfür sind die Blutzuckereinstellung bei Diabetes, die Blutdruckeinstellung bei Hypertonie und die Einstellung der Gerinnungsneigung des Blutes bei der Thrombosevorbeugung durch bestimmte „Blutverdünner“ (Vitamin-K-Antagonisten Warfarin und Phenprocumon). Auch die Dosis vieler Antiepileptika wird zumindest zu Therapiebeginn auf Basis von Wirkspiegelmessungen individuell kalibriert.

Alle Einflüsse, die das Geschlecht auf die Arzneimittelwirksamkeit haben könnte, werden dabei automatisch mit berücksichtigt.

Im Rahmen der Forschungen zur „personalisierten Medizin“ werden allerdings zunehmend für bislang „einheitsdosierte“ Medikamente Kriterien herausgearbeitet, die eine individuelle Dosisoptimierung oder Medikamentenwahl ermöglichen. Hierzu kann auch die Gendermedizin wichtige Beiträge liefern. So wurde z. B. vom Bundesforschungsministerium Anfang 2011 eine umfassende Datenbank zu Geschlechterunterschieden bei vielen verbreiteten Krankheiten freigegeben, die vom Institut für Geschlechterforschung in der Medizin an der Charité erstellt wurde.


Klinische Studien

Medikamente, die für Männer und Frauen bestimmt sind, werden auch mit Männern und Frauen erprobt.

Am geringsten ist der Anteil von Frauen in der Phase I: In dieser Phase wird ein neuer Wirkstoff (genannt „Prüfsubstanz“) erstmals am Menschen erprobt. Das übernehmen rund 80 gesunde Freiwillige im Verlauf von 20 bis 30 kleinen Einzelstudien. Hier liegt der Frauenanteil zwischen 10 und 40 Prozent. Dies beruht auf Sicherheitsüberlegungen: Bei einigen Einzelstudien sind keine Begleitmedika¬tio¬nen akzeptabel, auch keine hormonellen Verhütungsmitteln, so dass bei Frauen im gebärfähigen Alter Schwangerschaften nicht sicher ausgeschlossen werden können. Es kann aber nicht garantiert werden, dass die Prüfsubstanz keine Auswirkungen auf menschliche Embryonen oder Feten hat. Der höhere Anteil von Männern in dieser klinischen Prüfphase ist auch insofern kein Problem, da nach der Durchführung von Basis-Studien der Phase I klinische Prüfungen zum Vergleich mit Frauen und häufig auch Interaktionsstudien mit oralen Kontrazeptiva durchgeführt werden. Bei den klinischen Prüfungen der Phase II und III beträgt der Frauenanteil je nach Indikation 30 bis 80 Prozent. Letztendlich kommt es aber gar nicht darauf an, ob der Frauenanteil bei einer bestimmten klinischen Prüfung 10 Prozent, 30 Prozent oder 50 Prozent beträgt. Entscheidend ist, ob die Zahl der einbezogenen Frauen statistisch ausreicht, um relevante geschlechtsspezifische Unterschiede entdecken zu können.

Es liegt im Übrigen auch im eigenen Interesse der Unternehmen, dass Patienten beiderlei Geschlechts in Studien einbezogen werden. Denn Patienten, die den Einschlusskriterien einer Studie genügen und auch teilnahmebereit sind, sind in aller Regel gesucht. Je länger es dauert, die erforderliche Teilnehmerzahl zu erreichen, desto mehr verlängert und verteuert sich die Entwicklung des betreffenden Medikaments. Beides vermindert den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.


Eine Vielzahl neuer Arzneimittel für Krankheiten in Entwicklung, die ausschließlich oder hauptsächlich Frauen betreffen

Nach einer Umfrage des vfa von 20011befinden sich bei den vfa-Mitgliedsunternehmen rund 25 Arzneimittel speziell gegen frauenspezifische Erkrankungen in der Erprobung mit Patientinnen oder vor der Zulassung; sie dienen beispielsweise der Behandlung von Brust- oder Eierstockkrebs oder Myomen. Für weitere Krankheiten, die überwiegend Frauen betreffen (Osteoporose, Migräne, Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis, Alzheimer und Depression), sind es 29 Medikamente. Speziell für Männer werden 10 Medikamente entwickelt.



Quellen (Auswahl):


  • Guideline for the Study and Evaluation of Gender Differences in the Clinical Evaluation of Drugs, Federal Register 1993, 58 (139): 39406-16
  • Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland, BM für Familie Senioren, Frauen, und Jugend Schriftreihe 209; 2001
  • Diagnose der koronaren Herzkrankheit bei Frauen-Besonderheiten, Schwierigkeiten und risikostratifiziertes Vorgehen von A. Arbogast und U. Sechtem, Deutsche Medizinische Wochenschrift 2003; 128: 97-102
  • Gender Mainstreaming – Frauen werden anders krank von E. Thesing-Bleck in PZ 1/2 2003, S. 21-27
  • 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes und GCP-Verordnung
  • ICH Gender Considerations in the Conduct of Clinical Trials (EMA/CHMP/3926/2005-ICH)
  • Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakokinetik und –dynamik von Arzneimitteln von P. A. Thürmann, Bundesgesundheitsblatt 5-2005, S. 536-540
  • Schlagen Frauenherzen anders? von V. Regitz-Zagrosek und Ch. Espinola-Klein; Kardiologie up2date 2 2006, DOI 10.1055/s-2006-944799
  • Reflection Paper on Gender Differences in Cardiovascular Diseases (EMA/CHMP/EWP/498145/2006); 14.12.2006
  • Antwort der Bundesregierung “Umsetzung der in der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes enthaltenen Regelungen zur angemessenen Berücksichtigung von Frauen in klinischen Arzneimittelprüfungen“; Bundestagsdrucksache 16/6658 vom 09. Oktober 2007 – abrufbar auf den Seiten des Bundestages
  • Women and Trials: When is Gender a Consideration? Adequate female representation is mandatory, but gender differences should not be overestimated von Peter Kleist; 01. Juni 2005 http://appliedclinicaltrialsonline.findpharma.com/
  • Are women appropriately represented and assessed in clinical trials submitted for marketing authorization? A review of the database of the European Medicines Agency von Müllner et al.; Int. Journal of Clin. Pharmacol. and Therapeutics No 9/2007
  • BMBF Pressemitteilung 2011/29 „Geschlechterunterschiede in der Gesundheitsforschung abbauen“ vom 07.03.2011
  • Antwort der Bundesregierung “Angemessene Berücksichtigung von Frauen bei klinischen Arzneimittelprüfungen“; Bundestagsdrucksache 17/6634 vom 20. Juli 2011 – abrufbar auf den Seiten des Deutschen Bundestages
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