Natürlich, denn geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung ist ja keine Exklusivveranstaltung für Ärztinnen und Ärzte. Ich freue mich immer, wenn das Thema in allen möglichen Gremien aufgegriffen wird. Der DGB im Ländle ist da besonders aktiv, ich selbst war diesem Zweck schon zweimal tief im Südwesten.
Ravensburg am 8. März 2017, voll verregnet. Trotzdem sind im (recht attraktiven) Foyer des St. Elisabeth Krankenhauses fast alle Plätze besetzt. Ilse Petry, die als DGB-Vertreterin gemeinsam mit sieben Frauenorganisationen der Region die Veranstaltung „Gendermedizin – Frauen erkranken anders“ organisierte, freut sich, dass das Thema schon im Vorhinein so viel Interesse gefunden hat: „Manch eine hat davon gehört oder gelesen, das macht neugierig.“
Für mich ist es immer wichtig zu vermitteln: Gendermedizin hat eine bessere, zielgerichtetere und damit wirkungsvollere Gesundheitsversorgung für Frauen und Männer zum Ziel und nimmt mit ihrem bio-psycho-sozialen Ansatz viele andere gesellschaftliche Bereiche über den Medizinbetrieb hinaus in die Pflicht. Wie weit wir damit in der Praxis in Deutschland sind und wo noch viel zu tun ist, wurde in der anschließenden Diskussionsrunde, zu der auch zwei Ärzte in der Runde Platz nahmen, deutlich.
Die Innere Medizin, die Chefarzt Prof. Dr. Günther J. Wiedemann vertrat, ist eigentlich typisch für den Stand der Gendermedizin in Deutschland: Auf der einen Seite die Kardiologie, die mit ihren expliziten Erkenntnissen wegweisend auf diesem Gebiet ist, auf der anderen Seite andere innere Fächer, in denen nur sehr vereinzelt zu den geschlechterspezifischen Unterschieden in Diagnostik und Therapie gearbeitet wird bzw. insbesondere in der Versorgungspraxis kaum etwas ankommt (hier kann der bevorstehende Internistenkongress in Mannheim – siehe Interview weiter vorn – hoffentlich etwas in Bewegung bringen). Auch der Diabetes mit seinen oft zu wenig beachteten Unterschieden in der Diagnostik hat zunehmende Relevanz für Frauen und Männer, so Dr. Reinhard Kleemann, niedergelassener Hausarzt und Diabetologe.
Für beide Ärzte wichtig: Neue Erkenntnisse müssen praxisrelevant sein, damit sie Patientinnen und Patienten etwas nutzen, auch die der Gendermedizin. Und: Die Kommunikation zwischen Ärzt/innen und Patient/innen muss besser werden, und hier haben Ärztinnen, auch das ergeben Studien im Rahmen der Gendermedizin, zweifellos ein Plus. Viele Fragen, viele Themen, die nur angerissen werden konnten.
Ist die Diskussion zur geschlechtergerechten Gesundheitsversorgung damit eröffnet?
Ilse Petry hofft auf den Impuls und auf das Weitersagen. „Wir haben damit ein gesellschaftlich relevantes Thema aufgegriffen, das weiter bearbeitet werden sollte. Ich denke, dass es für die Gruppen unseres Frauenbündnisses eine Anregung war und über weitere Veranstaltungen nachgedacht wird, z. B. zu geschlechterspezifischen Aspekten bei psychischen Erkrankungen. Wir bleiben dran.“
Annegret Hofmann