„Mein Doktor war mir doch echt böse, als ich ihn fragte, ob er mir die richtigen Tabletten verordnet...“ – „Wo bekommt man nützliche Informationen im Internet, wenn man nach Ärzten sucht, die gendermedizinisch ausgebildet sind?“ – „Werden denn Medikamente immer noch ausschließlich an jungen Männern getestet?“ – Viele Fragen bei einer Gesprächsrunde, zu der der ver.di-Bezirksfrauenrat in Ulm am 26. Februar eingeladen hatte. Netzwerk-Sprecherin Annegret Hofmann traf auf ein aufgeschlossenes Publikum. Einigen war die Thematik Gendermedizin neu, andere hatten schon in den Medien darüber gelesen oder davon gehört. Vor allem die Erkenntnisse aus der Kardiologie sind bekannt, aber: „Ich habe den Eindruck, dass mein Arzt noch nichts davon gehört hat“, so nicht nur eine der Teilnehmerinnen. Vor allem der bio-psycho-soziale Ansatz der Gendermedizin fand großes Interesse und bestätigte die Erfahrungen der Frauen: Gesundheit und Krankheit sind nicht zu trennen von der individuellen Person, ihrem Lebens- und Arbeitsumfeld. Dass dies in der Medizin Einzug halten muss, darüber waren sich alle einig. Gewerkschaftsfrau Andrea Schiele, die die Veranstaltung im Rahmen der Vorbereitung auf den Internationalen Frauentag organisiert hat, geht es vor allem „um die persönliche Verantwortung jeder einzelnen für Gesundheit. Das Wissen um Geschlechterspezifik ist dabei wichtig, um mit dem Arzt, der Ärztin auf Augenhöhe zu kommunizieren.“
Gendermedizin ist in Ulm eigentlich kein Fremdwort, denn an der dortigen Uni bietet man seit dem Wintersemester 2013/2014 ein Curriculum Gendermedizin an. Mit-Ideengeberin war damals Dr. Anja Böckers, Institut für Anatomie und Zellbiologie. „Anliegen ist es, dass in alle Studienfächer genderspezifische Aspekte Einzug halten. Das ist uns in einigen gelungen, wie z. B. in der Psychiatrie oder auch in der Anatomie, in anderen leider noch nicht. So hören die Studierenden in den Vorlesungen zur Inneren Medizin bislang leider nichts über Geschlechteraspekte...“ Auf diese Weise ist es leicht möglich, dass die Frauen (und Männer!) in und um Ulm vor ihren behandelnden Ärzten noch länger keine geschlechterspezifische Behandlung erfahren.
(AH)