Professorin Christina Zielinski:
Diversität – Mehrwert für die Wissenschaft

Interview
08.04.2021
Professorin Dr. Christina Zielinski leitet seit Beginn dieses Jahres die neue Abteilung „Infektionsimmunologie“ am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – (Leibniz-HKI) und hat die gleichnamige Professur an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne.

Was uns – unter anderem natürlich – auf Sie neugierig machte: Sie setzen sich mit viel Engagement für junge Wissenschaftlerinnen ein. Warum?

Prof. Zielinski: Ich sehe einen großen Mehrwert in der Diversität! Nach meinen Erfahrungen – unter anderem an der Yale University in den USA, der Charité Berlin und zuletzt an der TU München – eröffnen Frauen in der Wissenschaft neue Blickwinkel und Perspektiven, auch in Bezug auf oft anscheinend längst erschlossene Gebiete. Da ich während meiner Karriere immer wieder beobachtet haben, dass Frauen mit Potenzial ihren Weg zu Spitzenpositionen mit Gestaltungsmöglichkeiten nicht konsequent verfolgt haben, hat mich das veranlasst, junge Kolleginnen in ihren Zielen zu ermutigen, zur Zusammenarbeit zu gewinnen und nach Möglichkeit zu fördern. Ich denke, das könnte mir auch in Jena gelingen. Hier hat man eine wertschätzende Haltung zur Diversität bereits verinnerlicht. Im Übrigen ist es wichtig zu verstehen, dass es nicht immer nur das Argument der „Familie“ ist, das die Frauen an einer wissenschaftlichen Karriere hindert, sondern es sind die herrschenden leider noch patriarchalischen Spielregeln des Wissenschaftsbetriebs. Hier müssen wir sukzessive etwas ändern.

Ihr Fach ist die Immunologie, mit einem besonderen Fokus auf die T-Zellen, die im menschlichen Abwehrsystem eine wichtige Rolle spielen ...

Prof. Zielinski: Wir gehen davon aus, dass T-Zellen ein sehr großes Potenzial haben, das noch ungenügend bekannt sind – und dies zum einen für die Immunabwehr vieler verschiedener Erreger, aber auch für die Kontrolle von Allergien oder die Bekämpfung von Krebs. T-Zellen üben auch verschiedenartige spezialisierte Funktionen aus. Wir selbst konnten in den letzten Jahren auch neue T-Zellarten entdecken. Insbesondere konnten wir bei unseren Forschungen beobachten, dass eine Pilzerkrankung wie Soor begünstigt wird, wenn T-Zellen, speziell Th-17 Zellen, in zu geringer Menge vorhanden sind oder nicht wirksam werden. Über den Botenstoff Interleukin-17, der von diesen Zellen ausgeschüttet wird, könnte man demnach diese Erkrankungen unter Kontrolle bringen. Als Aufgabenstellung für uns bleibt: Wie erkennt das Immunsystem – insbesondere die T-Zellen – Pilze, welche Therapien sind geeignet, um Menschen mit Pilzinfektionen zu helfen.

Es gibt weitere Herausforderungen, denn erst vor kurzem konnte man herausfinden, dass Immunzellen auch im Gewebe verharren können, wo sie sich ganz spezifisch an ihre Umwelt anpassen. Sie unterscheiden sich dann wesentlich von im Blut zirkulierenden Immunzellen, die bisher im Fokus der Therapiestrategien waren. Was bewirken die sogenannten geweberesidenten T-Zellen, wie kommunizieren sie mit ihrer Umwelt? Jede bisher bestehende These, die aus Erkenntnissen des Blutes kommt, muss nun hinterfragt werden, um zu neuen Lösungen zu kommen, ich nenne das die kreative Ebene …

Bieten die T-Zellen nicht auch neue Ansätze, was die Forschungen zum Corona-Virus betreffen?

Prof. Zielinski: Das zeigt sich zunehmend. Die zelluläre Immunabwehr mit Hilfe der T-Zellen eröffnet sicher neue Perspektiven für eine wirksame Therapie von Covid-19. Beobachtungswert dabei sind die unterschiedlichen Krankheitsverläufe bei Frauen und Männern – und die unterschiedliche T-Zell-Reaktion. Bei Frauen fiel diese, das haben erste Studien gezeigt, robuster aus. Das wird bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten eine Rolle spielen müssen.
Mit Blick auf fast alle Fächer der Medizin hat sich in den letzten Jahrzehnten unbestritten herausgestellt, dass es viele biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, die zu erkennen und zu berücksichtigen immens wichtig ist für Prävention, Diagnostik und Therapie. Dabei kommt man immer wieder auf die Unterschiede auch bezüglich der Immunabwehr bei Infektionen.

Unser Netzwerk hat sich, mit anderen, vor einem Jahr dafür eingesetzt, dass mehr Forscherinnen in allen Fragen, die mit dem neuen Virus zusammenhängen, zu Wort kommen. Wir haben nun den Eindruck, dass dies schon ganz gut gelungen ist. Wie sehen Sie das aus der Sicht der Immunologin?

Prof. Zielinski: Eine, wenn man so sagen kann, positive Entwicklung, durch Corona in Gang gesetzt! Mir fällt eine ganze Reihe von Kolleginnen ein, die die Forschung und wissenschaftliche wie auch gesellschaftliche Diskussion dazu mit großer Kompetenz vorangetrieben haben. Wir müssen alles dafür tun, damit das so bleibt, es ist ein Gewinn für die Wissenschaftslandschaft generell.
Damit sind wir ja wieder beim Thema Frauen in der Wissenschaft: Jena ist, so sehe ich das, ein gutes Pflaster in dieser Beziehung. Die Vereinbarkeit von Karriere und Familie wird hier gelebt. Es gibt ausreichend Betreuungsangebote von sehr guter Qualität für die Kinder – ich profitiere als Mutter auch davon und denke daran, wie schwierig diese Fragen in München lösbar waren!

Danke fürs Gespräch – wir freuen uns darauf, weiter von Ihrer Arbeit zu hören!
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