Wir sprechen hier von einer Volkskrankheit, sagt Privatdozentin Dr. Renate Schnabel, Oberärztin im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, und meint das Vorhofflimmern. Die Internistin und Kardiologin berichtet beim Internationalen Kongress für Geschlechterforschung in der Medizin von ihren Forschungen aus epidemiologischer Sicht.
Bei Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt kristallisieren sich seit längerem geschlechtsspezifische Unterschiede heraus. Was ist mit dem Vorhofflimmern?
Dr. Schnabel: Auf den ersten Blick betrifft die Herzrhythmusstörung Männer häufiger, da sie bei männlichen Individuen früher auftritt. Letztendlich kommt Vorhofflimmern aber bei Frauen wie Männern gleichermaßen vor, knapp drei Prozent der Bevölkerung. Vorhofflimmern wird oft gar nicht wahrgenommen und, für sich genommen, ist es auch nicht unbedingt direkt gefährlich - wenn da nicht die möglichen Folgen wären. Die häufigste ist dabei der Schlaganfall, den öfter Frauen als Männer erleiden.
Uns interessiert das Vorhofflimmern als Risikofaktor für Frauen auch unter dem Gesichtspunkt der Prävention. Wo muss sie, für Frauen und für Männer, ansetzen, um die schweren Folgen auszuschließen?
Spielt das Alter dabei nicht zuletzt eine Rolle? Immerhin erleiden in jüngeren Jahren mehr Männer als Frauen einen Herzinfarkt, wenn man aber die Erkrankungshäufigkeit bei Frauen im höheren Lebensalter betrachtet, gleicht sich das wieder aus. Ist das beim Vorhofflimmern ähnlich?
Dr. Schnabel: Auf jeden Fall. Das macht letztlich ein differenziertes Herangehen bei Diagnostik und Therapie erforderlich. Frauen jenseits der 75 haben in der Regel noch weitere Risikofaktoren, die den Schlaganfall beeinflussen – neben Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes insbesondere Gefäßveränderungen und weitere Begleiterkrankungen. Diese altersbedingt unterschiedlichen Ausgangslagen bei Männern und Frauen sowie geschlechtsspezifisches Präventionsverhalten fordern gerade unterschiedliche Präventions- und Therapieansätze heraus. Das deutet sich in Ergebnissen vieler internationaler Studien an. Letztendlich brauchen wir noch mehr gesicherte Daten – die auch schon bei jüngeren Menschen, Männern wie Frauen, gewonnen werden müssen.
Sie haben, vor allem auch durch die Einbindung z. B. in die Gutenberg Gesundheitsstudie der Universitätsmedizin Mainz, vor allem die Prävention im Fokus - mit welchen Ergebnissen?
Dr. Schnabel: Die Beteiligung an solchen Studien hat einen Riesenvorteil: Es handelt sich um große Gruppen von Menschen und damit um wirklich aussagefähige Studienergebnisse. Ausgangspunkt ist für uns, dass es sehr frühe Gefäßveränderungen gibt, die dann zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit all ihren Folgen führen können. Und hier gibt es, das zeigten unsere Messungen z. B. der Endothelfunktionen - der Zellschicht im Inneren von Blutgefäßen - große Unterschiede bei Männern und Frauen. Dabei sind die Voraussetzungen bei Frauen erst einmal günstiger, warum, das ist noch die Frage. Die weiblichen Geschlechtshormone allein erklären die Unterschiede nicht. Wir untersuchen auch neue Risikoindikatoren wie schwangerschaftsassoziierte Risikofaktoren wie Diabetes und hohen Blutdruck während der Schwangerschaft, die langfristig gefäßschädigend wirken. Ein protektiver Faktor ist weiterhin beispielsweise das Stillen: Lange Stillzeiten, so zeigte sich, verbessern die Gefäßfunktion. Es ist erfreulich, dass wir mit neuen Untersuchungstechniken und Messmethoden immer präzisere Ergebnisse erreichen, neue Risikofaktoren ermitteln und dadurch bessere Aussagen zu Prävention, Diagnostik und Therapie treffen können.
Sie wünschen sich, dass vom Berliner Kongress auch ein Impuls für eine noch intensivere Vernetzung der Forschungsarbeit ausgeht ...
Dr. Schnabel: Was uns im nationalen Rahmen fehlt, sind harmonisierte große Kohorten, große Studiengruppen, die wirklich relevante Untersuchungsergebnisse bei beiden Geschlechtern ermöglichen. Eine internationale Zusammenarbeit bei koordiniertem Studiendesign sollte z. B. Fördervoraussetzung für derartige Projekte sein. Wir brauchen solche Synergien, um rascher voranzukommen. Die Gendermedizin kann dafür Beispiele schaffen.