Clusterkopfschmerz lässt die Geschlechter gleichermaßen leiden

Beim Kopfschmerztyp unterscheiden sich Frauen und Männer: Wir sprachen darüber mit PD Dr. Stefanie Förderreuther, Generalsekretärin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG).

Im Volksmund heißt es oft, Männer seien wehleidiger als Frauen oder ganz im Gegenteil – sie seien härter im Nehmen… Worin unterscheiden sich Männer und Frauen, wenn es um Kopfschmerzen geht?
Dr. Förderreuther: Grundsätzlich haben Männer seltener mit Kopfschmerzen zu tun als Frauen. Ursache dafür sind wahrscheinlich hormonelle Faktoren. Besonders deutlich ist der Unterschied bei der Migräne. Während Buben und Mädchen vor der Pubertät etwa gleich häufig betroffen sind, nimmt die Migräne bei den Mädchen ab der Pubertät deutlich zu. Da Migräne aber als typische Frauenkrankheit gilt, wird sie möglicherweise auch bei Männern manchmal nicht als solche erkannt und diagnostiziert. Man weiß grundsätzlich, dass Männer Ärzte weniger häufig aufsuchen als Frauen. Dies ist auch dann so, wenn sie unter Kopfschmerzen leiden. Ich denke daher nicht, dass dies an einer anderen Schmerzwahrnehmung liegt, sondern andere Hintergründe hat. Da nach wie vor mehr Männer als Frauen in Vollzeit berufstätig sind, ist es vielleicht auch schwieriger Arzttermine mit dem Beruf zu vereinbaren. Ich selbst erlebe Männer in meiner Sprechstunde nicht als mehr oder weniger „wehleidig“. Eine sehr schwere Kopfschmerzerkrankung, der seltene, Clusterkopfschmerz tritt bei Männern häufiger auf als bei Frauen. Männer wie Frauen sagen in der Regel übereinstimmend, dass die Clusterkopfschmerzen den stärksten Schmerz darstellen, den sie kennen. Männer sind da im selben Maß geplagt wie Frauen.

Was bedeutet das für Diagnose und Therapie?
Dr. Förderreuther: Die geringere Zahl von Arztkontakten führt sicher dazu, dass viele Kopfschmerzerkrankungen nicht professionell gesichert und gezielt behandelt werden. Grundsätzlich unterscheidet sich die Therapie einer Migräne bei Männern und Frauen nicht. Männern bleiben lediglich die bei Frauen häufigen menstruellen Migräneattacken erspart, die oft schwerer zu behandeln sind als Attacken, die nicht in Zusammenhang mit dem Zykus stehen.

Verändern sich Kopfschmerzen mit dem Älterwerden, ist er etwa in der Jugend anders als im Erwachsenenalter? Wann besteht die Gefahr einer Chronifizierung?
Dr. Förderreuther: Ja, speziell für die Migräne gibt es einige wenige Arbeiten, die zeigen, dass sich die Migräne mit dem Alter verändert. Bei älteren Menschen treten die vegetativen Begleitsymptome etwas in den Hintergrund und auch die Schmerzintensität nimmt eher etwas ab. Das gilt für beide Geschlechter. Kindliche Migräneattacken sind ebenfalls weniger charakteristisch, weil die Attacken häufig beide Kopfhälften betreffen. Die kindlichen Attacken sind in aller Regel deutlich kürzer. Gastrointestinale Symptome wie Bauchschmerzen und Erbrechen können ganz im Vordergrund stehen. Chronifizierungsfaktoren bei Kopfschmerzen sind: übermäßige Einnahme von Medikamenten, begleitende Depressionen oder Angsterkrankungen, Partnerverlust, Bewegungsmangel, Übergewichtigkeit und – dies wurde vor allem in amerikanischen Untersuchungen nachgewiesen – geringe Schulbildung.

Sind die Auslöser bei verschiedenen Patientengruppen immer dieselben?

Dr. Förderreuther: Für Kopfschmerzen gibt es unterschiedliche Auslöser. Individuelle Unterschiede sind häufig. Für die Migräne sind häufig genannte Faktoren: Menstruation (Hormonschwankungen), Wetterwechsel (wissenschaftlich schwer zu belegen), Änderungen eines sonst regelmäßigen Tagesrhythmus, Hunger/Durst (im Stress Mahlzeit ausgelassen, vergessen zu trinken), Stress, Rotwein. Bei Clusterkopfschmerzen werden Attacken in einer symptomatischen Episode häufig durch bestimmte Medikamente (Nitro), Alkohol, Aufenthalt in großer Höhe (Höhenbergsteigen) und durch Schlaf ausgelöst. Wie bei der Migräne können aber auch hier spontan Attacken auftreten. Spannungskopfschmerzen werden oft durch Schlafmangel, Stress, muskuläre Fehlbelastung (z.B. schlecht angepasster Bildschirmarbeitsplatz) oder stickige Luft ausgelöst.

Häufig werden dabei Nahrungsmittel genannt...

Dr. Förderreuther: Nahrungsmittel werden überschätzt. Man sollte nur dann von einem Auslöser sprechen, wenn ein bestimmtes Nahrungsmittel praktisch immer dann, wenn es verzehrt wurde, Kopfschmerzen auslöst. Die manchmal als erstes Zeichen einer schon eingesetzten Migräneattacke auftretenden Heißhungerattacken provozieren den Kopfschmerz nicht, sondern sind erstes Symptom der Migräne.

Für Kopfschmerzpatienten ist der Hausarzt um die Ecke in den meisten Fällen der Ansprechpartner.

Dr. Förderreuther: Für die meisten Patienten mit Kopfschmerzen ist er ein guter Ansprechpartner. Unkompliziert verlaufende Migräne-Kopfschmerzen erfordern nicht unbedingt einen Spezialisten. Nehmen Kopfschmerzen aber an Intensität oder Häufigkeit zu oder greift die Therapie nicht, sollte eher ein Facharzt hinzugezogen werden. Schwer zu behandelnde Kopfschmerzattacken, psychiatrische Begleiterkrankungen, atypische Kopfschmerzerkrankungen und Tendenzen zu einer Chronifizierung sollten immer eine Vorstellung beim Facharzt nach sich ziehen.
 
Migräne-Schmerzmittel haben, vor allem bei häufiger Einnahme, Nebenwirkungen. Gibt es Alternativen?
Dr. Förderreuther: Neben der Therapie der Attacken sollten aber auch vorbeugende Maßnahmen genutzt werden. Hier gibt es Entspannungstechniken oder regelmäßigen Ausdauersport. Das wirkt sich günstig auf die Frequenz der Attacken aus. Ist dies nicht ausreichend oder treten Attacken mehr als drei bis vier Mal pro Monat auf, können auch vorbeugende Medikamente eingesetzt werden. Denn nehmen die Attacken immer weiter zu und werden immer öfter Schmerzmittel und Migräne-spezifische Substanzen eingesetzt, besteht die Gefahr einer Chronifizierung durch die häufige Einnahme der Schmerzmittel.
Stressabbau, eine vernünftige Lebensführung, ausgewogene Ernährung, regelmäßiger Sport, Erlernen von Entspannungstechniken sind sinnvolle Alternativen zu Schmerzmitteln. Sich an geeigneten Stellen, z. B. über www.dmkg.de, über die Erkrankung zu informieren ist für viele Patienten ein erster und wirkungsvoller Schritt in die richtige Richtung.