Wir brauchen gut informierte und auch kritische Patientinnen und Patienten, um die gesundheitliche Versorgung zu optimieren. Dieser Auffassung ist Johanna Zebisch. Die Soziologin ist Fachreferentin für Gender in Medizin und Pflege am Städtischen Klinikum München. Wir sprachen mit ihr.
Ihr Arbeitsbereich ist ziemlich einmalig in der nichtuniversitären Krankenhauslandschaft – wie kam es dazu?
J. Zebisch: München ist die erste bayerische Kommune (und eine der ersten Städte bundesweit) mit einer Gleichstellungsstelle – sie besteht immerhin schon 25 Jahre. Das hatte auch einen lang wirkenden Einfluss auf die städtischen Unternehmen, zu denen auch die „Städtische Klinikum München GmbH" mit ihren vier großen Akutkrankenhäusern und einer Fachklinik gehört. Und in der Tat sind wir die bisher einzigen mit einem entsprechenden Unternehmensbereich.
In meiner Funktion geht es um die Integration von Gender-Aspekten in die Pflege und Medizin, um unsere Patientinnen und Patienten zielgruppendifferenziert versorgen zu können. Meine Kollegin bearbeitet die Betriebliche Gleichbehandlung bezogen auf die MitarbeiterInnen.
Wie wird das Thema Gendermedizin wahrgenommen?
J. Zebisch: Wie sicher vielerorts, stehen wir hier noch ganz am Anfang. Ich versuche zunächst klarzumachen, dass die jetzt vielzitierte individualisierte Medizin die Bemühungen um Gendermedizin nicht obsolet macht, sondern dass Gendermedizin faktisch die Einstiegssituation darstellt: Wer gute Medizin machen will, muss genau hinschauen, sollte Geschlecht und Alter, sowie Lebensweise und Persönlichkeit der Patientin und des Patienten in Betracht ziehen. Viele sagen – ich habe das doch schon immer gemacht.
Aber mir geht um die methodische Herangehensweise, die auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zum medizinischen Alltag in unseren Krankenhäusern werden sollte. Bis dahin ist es indes noch ein weiter Weg. Ich habe jetzt mit unseren Chefärzten und -ärztinnen Leitfadeninterviews geführt, die eine Bestandsaufnahmen darstellen. Die werten wir im Moment aus.
Sie legen Wert darauf, dass die Kommunikation mit und die Einbeziehung der PatientInnen ein wichtiger Faktor für eine bessere Medizin sind. Welche Fakten sprechen dafür?
J. Zebisch: Eine ganze Reihe. Eine aktuelle PatientenInnen-Umfrage sowie die Auswertung von PatientInnenbeschwerden in unseren Kliniken haben beispielsweise ergeben, dass die kritischen Bewertungen nicht zu unterschätzende Informationen für die Optimierung von Medizin und Pflege darstellen – und im Wettbewerb der Krankenhäuser eine immer größere Rolle spielen werden.
Bei der Befragung wie auch bei den Auswertungen der Beschwerden haben sich geschlechtsspezifische Unterschiede gezeigt. Frauen bewerten viele Dinge im Krankenhaus kritischer und sie haben dabei teilweise andere Sachverhalte im Auge als Männer. Das bezieht sich z. B auf solche Faktoren wie Sauberkeit und die Information über Untersuchungsergebnisse.
Interessant ist auch, dass Patientinnen stärker als Patienten bei Beschwerden auf die Wahrung der persönlichen Würde hinweisen. Auch legen sie mehr Wert auf umfangreiche Information beziehungsweise Kommunikation. Wir müssen diese Erkenntnisse ernst nehmen – und sie zeigen uns außerdem, wie vielseitig das geschlechterspezifische Herangehen in Medizin und Pflege ist.
Das Gespräch führte Annegret Hofmann,
anna fischer project